Die Geschichten, die Jesus erzählte
Peter Amsterdam
[The Stories Jesus Told]
Jesus war ein unglaublicher Lehrer. Seine Worte, untermauert durch seine Taten, haben während seines Wirkens auf der Erde und in den vergangenen zwei Jahrtausenden unzählige Leben verändert. Seine Lehren und der Einfluss seines Lebens haben einen unvergleichlichen Einfluss auf die Menschheit gehabt. Milliarden von Menschen haben ihr Leben und ihren Glauben auf den Worten aufgebaut, die er vor über 2.000 Jahren sprach. Diese Worte und Lehren, die in den Evangelien aufgezeichnet sind, haben das Verständnis der Menschheit von Gott und unserer Beziehung zu ihm radikal verändert. Sie sprachen zu den Menschen in Jesu Tagen und sprechen auch heute noch zu den Herzen der Suchenden und denen die bereit sind zu glauben.
Eine der beliebtesten Methoden, die Jesus verwendete, um seine Botschaft zu übermitteln, war das Erzählen von Gleichnissen. Tatsächlich sind ein Drittel der aufgezeichneten Reden Jesu in den Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas in Gleichnissen abgefasst. Gleichnisse waren ein wirksames Mittel, um seine Botschaft zu vermitteln, denn es waren Geschichten, die die Zuhörer fesselten und in ihren Bann zogen. Diese Geschichten stellten manchmal die kulturellen und religiösen Normen der damaligen Zeit in Frage, und die Zuhörer waren oft überrascht, wenn die Geschichten unvorhergesehene Wendungen nahmen und unerwartete Ausgänge hatten.
Durch diese Geschichten lehrte Jesus über das Reich Gottes, zeigte Gottes Charakter, offenbarte wie Gott ist und brachte die Erwartungen zum Ausdruck, die Gott an die Menschen hat. Die Gleichnisse, die Jesus erzählte, sprechen uns zwar heute an, aber ein Teil ihrer ursprünglichen Bedeutung und ihres Überraschungsfaktors ist verloren gegangen, weil wir, die heutigen Zuhörer, nicht im Palästina des ersten Jahrhunderts leben.
Jesus war ein Jude des ersten Jahrhunderts, der mit anderen Juden des ersten Jahrhunderts sprach, und er sprach die Umgangssprache der Zeit, Wörter, Ausdrücke und Redewendungen, mit denen seine jüdischen Zeitgenossen vertraut waren. Wenn Jesus von einem Samariter sprach, wusste er, im Gegensatz zu uns heute, dass seine jüdischen Zuhörer die Samariter verachteten. Wenn er von Weizen und Unkraut, von Sauerteig, von Verwaltern und Meistern sprach, verstand jeder, zu dem er sprach, wovon er sprach, denn das alles gehörten zum alltäglichen Leben und zur Sprache der Juden im ersten Jahrhundert.
Deshalb verstanden die Menschen, die im Palästina des ersten Jahrhunderts lebten, die Terminologie, die Jesus benutzte, vollständiger und umfassender als wir, die wir über 2.000 Jahre später leben. Wenn man also die Gleichnisse Jesu liest, ist es hilfreich, mehr über den Kontext zu wissen, in dem er gesprochen hat, und darüber, was die ursprünglichen Zuhörer verstanden haben würden.
Dies ist besonders hilfreich, wenn wir bedenken, wie viele Informationen die Gleichnisse nicht enthalten. Gleichnisse sind kurz. Sie verwenden nicht mehr Worte als nötig und enthalten im Allgemeinen keine unwichtigen Details. Wenn Personen beschrieben werden, wird fast nichts über ihr Aussehen, ihre Beziehungen oder ihre persönliche Geschichte gesagt; wir erfahren nur das Wesentliche. Mit Ausnahme von Lazarus und Abraham im Gleichnis vom reichen Mann und Lazarus (Lukas 16,19-31) werden keine Namen genannt, so dass die Personen anonym bleiben. Handlungen werden weggelassen oder verkürzt, und Teile der Geschichte werden dem Leser überlassen, sie zu vervollständigen.
Gleichnisse sind von Natur aus einfach. Es gibt nie mehr als zwei Personen oder Gruppen in der gleichen Szene. Der Vater in Lukas 15 hat zwar zwei Söhne, aber er hat nicht mit beiden gleichzeitig zu tun, sondern nur mit dem einen oder dem anderen (Lukas 15,11-32). Wenn von einer großen Zahl von Menschen die Rede ist, wie im Gleichnis vom Festmahl, zu dem viele Menschen eingeladen sind, konzentriert sich die Geschichte nur jeweils auf drei der Eingeladenen (Lukas 14,16-24).
Die Gleichnisse Jesu spiegeln das Leben der Menschen im Alltag wieder – Bauern, Hirten, Frauen, Väter und Söhne, Herren und Knechte. Sie sind fiktive, jedoch lebensnahe Berichte über das Alltagsleben zur Zeit Christi. Allerdings geben sie die Ereignisse nicht unbedingt genau wieder. Einige Geschichten geben ein realistisches Bild ab, andere nicht.
Ein Beispiel für eine unrealistische Darstellung ist der Mann, der 10.000 Talente schuldete, was mehr als 200 Tonnen Gold oder Silber entspricht. Dieses Gleichnis verwendet eine bewusste Übertreibung oder das, was oft als Hyperbel bezeichnet wird und definiert als eine absichtliche Übertreibung, um etwas zu verdeutlichen. Die Übertreibung wird in diesem Zusammenhang verwendet, um die Unermesslichkeit der Vergebung Gottes auszudrücken (Matthäus 18,23-35). Die Verwendung von Übertreibungen, um etwas zu verdeutlichen, war in jüdischen Schriften und Sprüchen üblich.
Warum sprach Jesus in Gleichnissen? Welchen Wert hat ein Gleichnis? Nun, jeder liebt eine Geschichte. Jesus erzählte Geschichten, um die Zuhörer zu fesseln und sie dazu zu bringen, über die Themen nachzudenken, die in dem Gleichnis angesprochen wurden. Die Szenarien, die Jesus mit seinen Worten schilderte, verlangten von den Zuhörern oft, dass sie das Verhalten der Charaktere in der Geschichte moralisch beurteilten und dann ein ähnliches Urteil über Angelegenheiten in ihrem eigenen Leben und in ihrem Glauben fällten.
Manche Gleichnisse enthalten eine Frage, wie etwa „Wer von euch …?“ oder „Was denkt ihr …?“. Andere stellen am Ende Fragen. Die Fragen sollen zum Nachdenken anregen und eine Veränderung im Herzen und im Leben des Zuhörers bewirken. Manchmal hat das Gleichnis keinen Schluss oder ein endgültiges Ergebnis – die Geschichte bleibt mit offenem Ende.
Häufig wird in Gleichnissen das Gegenteil von dem präsentiert, was der Zuhörer erwarten würde. Der verhasste Zöllner wird als rechtschaffen angesehen anstelle des Pharisäers (Lukas 18,9-14); der Samariter ist der wahre Nächste und nicht der jüdische Priester oder Levit (Lukas 10,29-37). Diese Schlussfolgerungen stellen eine Umkehrung der Norm dar. Sie veranlassen die Zuhörer, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen, nachzudenken und ihre Denkweise zu hinterfragen. Sie stellen eine Herausforderung zur Veränderung dar.
Die Hauptaussage kommt in der Regel am Ende des Gleichnisses, ähnlich wie die Pointe eines Witzes am Ende kommt. Die Geschichte weckt dein Interesse, zieht dich in ihren Bann, und am Ende bringt sie es auf den Punkt.
Diejenigen, die die Gleichnisse im ersten Jahrhundert hörten, verstanden zwar die Sprache, das Kulturelle und die Gebräuche sowie die Redewendungen und Ausdrücke, aber das bedeutete nicht, dass sie immer den Sinn der Gleichnisse verstanden. Manchmal mussten sogar Jesu Jünger ihn fragen, was ein Gleichnis bedeutet. Die in den Gleichnissen enthaltenen geistigen Aussagen waren nicht immer offensichtlich und veranlassten die Menschen, über die Bedeutung nachzudenken.
Jesus war nicht der erste oder einzige Lehrer, der Gleichnisse verwendete. Im Alten Testament und in den jüdischen Schriften vor dem ersten Jahrhundert gibt es einige Gleichnisse und gleichnisähnliche Schriften, aber nur wenige, die den erzählenden Gleichnissen Jesu ähneln.1 Jesus war zwar nicht der Erfinder der Gleichnisse, aber es ist bekannt, dass niemand in der Geschichte sie so einfallsreich und wirksam eingesetzt hat wie er.
Die Gleichnisse Jesu sind eine lohnende Lektüre. Durch sie vermittelte Jesus seine Botschaft über Gott, unseren Umgang mit ihm und anderen und das Leben und wie es gelebt werden sollte. Wenn man die Gleichnisse mit mehr Verständnis für den Kontext des ersten Jahrhunderts liest, wird seine Botschaft noch klarer. Es gibt Aufschluss darüber, warum er auf so viel Widerstand stieß und warum seine religiösen Feinde ihn tot sehen wollten. Es zeigt aber auch, warum viele ihn liebten und ihm folgten.
Die Botschaften, die Jesus durch seine Gleichnisse vermittelte, beleidigten seine religiösen Feinde und stellten sogar ihre Stellung in Frage. Gleichzeitig zog die in seinen Geschichten verborgene Botschaft diejenigen an, die verloren und auf der Suche waren. Die Gleichnisse zeigen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, seinen Ruf an das Herz eines jeden Mannes, einer jeden Frau und eines jeden Kindes und seine Bereitschaft, den Preis einer teuren Liebe zu zahlen, um die Menschheit zur Erlösung zu führen. Diese wunderbaren Wahrheiten veranlassten die Menschen, Jesus zu lieben, seine Nachfolger und Jünger zu werden und sogar für seinen Namen zu sterben. Und seine Worte rufen heute die gleiche Reaktion hervor.
Die Gleichnisse Jesu sind nicht einfach nur Geschichten zur Unterhaltung; sie sind die Stimme Jesu, die seine Botschaft verkündet. Diese kurzen Geschichten haben eine tiefe Absicht, und diese Absicht besteht darin, jeden von uns zu Gott hinzuführen und dazu, unser Leben in Übereinstimmung mit seiner Wahrheit zu leben. Wenn wir aufmerksam zuhören, was Jesus in seinen Gleichnissen sagt, werden wir dieselben Fragen beantworten müssen wie seine ursprünglichen Zuhörer. Ein Licht wird auf unser Leben fallen, wenn wir uns der Erkenntnis stellen, dass wir vielleicht wie der eifersüchtige, ältere Bruder oder der reiche Narr sind, der seinen Reichtum hortet, oder wie der Priester und der Levit und nicht wie der barmherzige Samariter.
Die Gleichnisse zeigen auch auf wunderbare Weise, auf welch unterschiedliche Weise Jesus zum Ausdruck brachte, wie sehr Gott die Menschen liebt und wie weit er bereit ist zu gehen, um uns diese Liebe zu zeigen, sowie die Freude, die er empfindet, wenn ein Mensch eine Beziehung zu ihm eingeht. Jesus benutzte Gleichnisse, um den Vater zu beschreiben, und diese Beschreibungen brachten ein neues Verständnis davon, wie Gott ist.
Wie bei jedem Studium von Gottes Wort ist es auch beim Lesen und Studieren der Gleichnisse von Vorteil, sich Zeit zu nehmen, um tief über die darin enthaltenen Aussagen nachzudenken und diese geistlichen Wahrheiten zu uns sprechen zu lassen. Sie sollen Veränderungen in unserem Herzen, unserem Leben, unserer Einstellung, unseren Ansichten und unserem Verhalten bewirken.
Möge das Studium der Gleichnisse deinen Glauben stärken und dich ermutigen, andere dazu einzuladen, mehr über Jesus – unseren wunderbaren Retter und gesegneten Erlöser – zu erfahren und ihn persönlich kennenzulernen.
1 Joel B. Green, Scot McKnight, Dictionary of Jesus and the Gospels (Downers Grove: InterVarsity Press, 1992), 594. @font-face
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