Jesus – Sein Leben und Seine Botschaft: Jüngerschaft (Teil 4)
Peter Amsterdam
Wenn wir uns ansehen, was Jesus über den Glauben und darüber, wie Jünger leben sollen, gesagt hat, wird es offensichtlich, dass der wahre Glaube an Ihn eine Änderung unserer Prioritäten erfordert. Wie wir in früheren Artikeln zu diesem Thema gesehen haben, sagte Jesus, dass Gläubige dazu berufen sind, Ihm treu zu sein, und dass Jünger dazu bestimmt sind, Ihm ihre primäre Treue zu erweisen. Wie wir im vorliegenden Artikel untersuchen werden, schließt dies ein, Ihm Vorrang vor unserem materiellen Besitz einzuräumen, wie in Seiner Begegnung mit einem reichen jungen Mann hervorgehoben wird.
Alle drei synoptischen Evangelien erzählen die Geschichte eines reichen jungen Herrschers, der Jesus fragte, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen. 1 Wir werden uns den Text des Evangeliums von Markus ansehen und Stellen aus den Evangelien von Matthäus und Lukas einbringen. Die Geschichte beginnt so:
Als er weiterziehen wollte, lief ein Mann auf Jesus zu, kniete vor ihm nieder und fragte: „Guter Lehrer, was soll ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?“ „Warum nennst du mich gut?“, fragte Jesus. „Nur Gott allein ist gut.“ 2
Markus sagt, dieser Mann sei reich gewesen. Im Matthäusevangelium wird er als jung beschrieben. Lukas nennt ihn einen Herrscher. 3 Daher wird er traditionell als "der reiche Jüngling" bezeichnet; es ist unwahrscheinlich, dass er ein Synagogenleiter war, da er dafür älter hätte sein müssen, aber er war vielleicht ein einflussreicher, wohlhabender Gemeindeleiter. 4
Jesus war dagegen, dass der Mann ihn „gut“ nannte. Warum war das? Es gibt einige unterschiedliche Meinungen, da es als eine Geste des Respekts verstanden werden kann, aber auch, wie viele Kommentatoren behaupten, scheint es, der Mann schmeichelte Jesus - vielleicht mit der Hoffnung, Jesus werde die Schmeichelei auf irgendeine Weise erwidern, was damals üblich war. Aber Jesus antwortete stattdessen, indem er dem Mann einen milden Vorwurf machte und erklärte, dass nur Gott gut sei. Was auch immer der Grund für Jesu Einwand, nicht als gut bezeichnet zu werden zu wollen, so scheint es wahrscheinlich, dass Er den Nachdruck darauf legte, dass höchste Güte und Vollkommenheit nur Gott allein gehören und dass Sein Vater die Quelle aller Güte ist. 5
„Aber du kennst doch die Gebote. ‚Du sollst nicht töten. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen. Du sollst nicht betrügen. Ehre deinen Vater und deine Mutter.‘“ „Lehrer“, erwiderte der Mann, „alle diese Gebote habe ich seit meiner Kindheit gehalten.“ 6
Weder Matthäus noch Lukas erwähnen „Du sollst nicht betrügen“ und Matthäus setzt hinzu: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ 7
Jesus, der wusste, dass der Mensch mit dem Gesetz vertraut war, antwortete darauf mit einem Zitat aus den Zehn Geboten, die den Willen Gottes für Sein Volk widerspiegeln. Vielleicht, weil der Mann reich war, „begehrte er nicht die Güter seines Nächsten“, und deshalb nahm Jesus das nicht in die Liste auf. Er könnte jedoch vermutet haben, dass der junge Mann, da er reich war, andere im Laufe seiner Geschäfte betrogen haben könnte, und fügte diesen Punkt hinzu, da er nicht zu den Zehn Geboten gehört.
Jesus sagte, dass der Mann die Gebote kannte, und der Mann bestätigte dies, als er antwortete, dass er sie seit seiner Jugend gehalten habe. Er muss regelmäßig zur Synagoge gegangen sein und darauf hingewiesen haben, dass er die Gebote nicht nur gut kannte, sondern sie auch befolgt hatte. Seine Einstellung spiegelte die gängige jüdische Sichtweise wider, was es bedeutete, gut zu sein. 8 Er hielt die Thora ein und war ein Jude, der wahrscheinlich ein gutes Leben führte und sicher sein wollte, dass er das ewige Leben erben würde.
In Matthews Bericht sagt der junge Mann:
„Das alles habe ich befolgt. Was fehlt mir noch?“ 9
Obwohl er die Gebote einhielt, spürte er, dass ihm etwas fehlte, das lediglich die Gebote zu halten, nicht seine Suche nach dem aufrichtigen Erkennen und Dienen Gottes erfüllt hatte. Er fragte Jesus, was dieses Etwas sei.
Jesus sah ihn voller Liebe an. „Eins fehlt dir“, sagte er, „geh und verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen – du wirst dann einen Schatz im Himmel haben –, und komm, folge mir nach!“ 10
Der junge Mann war gefordert, seine Prioritäten neu auszurichten. Während er die meisten Gebote hielt, war er nicht gewillt, ein zentrales zu halten: Du sollst keine anderen Götter vor mir haben. 11 Er konnte seine Treue nicht auf Gott richten. Sein Reichtum auf Erden war ihm wichtiger als sein Schatz im Himmel. Sein Reichtum stand zwischen ihm und Gott. Jesu Ruf lautete, diese Hindernisse zu beseitigen.
Dies war keine universelle Forderung an alle Gläubigen, alles zu verkaufen, was sie besaßen und Jesus nachzufolgen, sondern diente vielmehr dazu, hervorzuheben, was der junge Mann vor Gott stellte. Es gab Nachfolger Jesu, die wohlhabend waren, aber sie hatten ihren Reichtum in der rechten Vorrangstellung; sie stellten Gott an die erste Stelle. Dies zeigt sich an den Beispielen von Joseph von Arimathia, Johanna, Susanna und anderen, die ihren Reichtum mit anderen Jüngern teilten. Im Buch der Apostelgeschichte lesen wir von treuen Jüngern wie Barnabas, dem Besitz gehörte, und Lydia, die ein Geschäft besaß.
Wie Jesus in der Bergpredigt sagte:
Niemand kann gleichzeitig zwei Herren unterworfen sein. Entweder wird er den einen bevorzugen und den anderen vernachlässigen, oder dem einen treu sein und den anderen hintergehen. Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon gleichzeitig dienen. 12
Dieser Mann, welchen Jesus mit Liebe betrachtete, war nicht gewillt, seine Liebe zu Gott und seinen Wunsch „das ewige Leben zu erben“ über die Liebe zu seinem Besitz zu stellen.
Der Mann war entsetzt, als er das hörte, und ging traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen. 13
Einige Übersetzungen geben dies wieder als, er wurde unmutig, wurde traurig, sein Gesicht verdüsterte sich. Er entschied sich, seinem Reichtum zu dienen und nicht Gott.
Jesus sah alle, die dabeistanden, an und sagte dann zu seinen Jüngern: „Wie schwer ist es doch für Menschen, die reich sind, ins Reich Gottes zu kommen!“ Darüber waren sie erstaunt. 14
R. T. France kommentiert, warum die Jünger erstaunt waren über das, was Jesus sagte:
Das Erstaunen der Jünger entspringt der allgemeinen jüdischen Annahme..., dass Reichtum ein Zeichen des Gottessegens und seiner Belohnung für treue Dienste ist, so dass Jesus, wenn Er sie stattdessen als Hindernis für das Heil erklärt, einen wesentlichen Teil ihrer religiösen Weltanschauung untergräbt. 15
Wie in vielen anderen Fällen wirft Jesu Lehre neues Verständnis in die jüdische religiöse Weltanschauung Seiner Zeit ein.
Zwar sagte Jesus, es sei für die Reichen schwierig, in Gottes Reich einzutreten, doch Er sagte nicht, dass es unmöglich sei. Trotzdem wiederholte Er im Markus-Evangelium das Gleiche ein zweites Mal:
Darüber waren sie erstaunt. Aber Jesus wiederholte: "Meine lieben Kinder, es ist sehr schwer, ins Reich Gottes zu kommen.“ 16
Er fuhr fort, indem er eine Übertreibung benutzte:
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt! 17
Darrell Bock kommentiert:
Ein Kamel war das größte Tier in Palästina, während das Nadelöhr eines der kleinsten Dinge ist, mit denen ein Mensch täglich zu tun haben könnte... Der Punkt der übertriebenen, scheinbar albernen Illustration ist klar: Es ist für reiche Menschen aus eigener Kraft unmöglich, ins Reich zu kommen. 18
Einige Bibelübersetzer haben versucht, den Spruch abzuschwächen, indem sie behaupteten, dass sich in den Mauern Jerusalems ein kleines Tor befand, durch das ein Kamel nur kniend hindurchkommen konnte, und dass das Tor als „Nadelöhr“ bezeichnet wurde. Jesu Aussage sollte etwas darstellen, was unmöglich ist. Der Reiche kann aus eigener Kraft nicht in das Reich Gottes eintreten.
Die Jünger waren bestürzt. „Wer kann dann überhaupt gerettet werden?“, fragten sie. Jesus sah sie aufmerksam an und sagte: „Menschlich gesehen ist es unmöglich, aber nicht für Gott. Bei Gott ist alles möglich.“ 19
Was für den reichen jungen Mann zutraf, ist tatsächlich für alle wahr – niemand, weder der Reiche noch der Arme, kann durch seine eigene Anstrengung gerettet werden. Das ist unmöglich. Aber was für Menschen unmöglich ist, ist mit Gott möglich. Erlösung erfordert Gottes gnädiges Handeln.
Da erwiderte Petrus: „Wir haben alles aufgegeben, um dir nachzufolgen.“ Jesus erwiderte: „Ich versichere euch: Jeder, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Besitz um meinetwillen und um der guten Botschaft willen aufgegeben hat, wird jetzt, in dieser Zeit, alles hundertfach zurückerhalten: Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Besitz - wenn auch mitten unter Verfolgungen. Und in der künftigen Welt wird er das ewige Leben haben.“ 20
Petrus sprach für die Jünger und wies darauf hin, dass sie das getan hätten, was der Reiche nicht tun wollte; sie akzeptierten den Ruf, Jesus nachzufolgen, egal, was es kostet. Vielleicht suchte er nach einer gewissen Beruhigung, da Jesus gesagt hatte, dass die Errettung nicht etwas sei, was auf menschlichem Handeln beruhen könnte. Jesus hat seinen Jüngern versichert, dass diejenigen, die Seinem Ruf folgen und die Dinge opfern, die ihnen wichtig sind, um Ihm zu folgen, sehr belohnt werden – sowohl in diesem Leben als auch ewiglich.
Diejenigen, welche Christus vor ihren Besitz, ihre Verwandten, Häuser oder ihr Land gestellt haben, werden in diesem und im nächsten Leben belohnt werden. John Cassian bringt die Idee zum Ausdruck, wie wir durch den weltweiten Leib der Christen eine hundertfache Familie, Häuser und Grundstücke in diesem Leben erhalten können:
Jeder von euch hat nur einen Vater und eine Mutter und ein Haus verlassen, und als ihr es getan habt, habt ihr ohne große Mühe unzählige Väter und Mütter und Brüder, aber auch Häuser und Ländereien und treue Diener in jedem Teil der Welt, in den ihr geht, gewonnen, die euch als ihre eigene Familie aufnehmen und euch begrüßen und achten und euch mit größter Aufmerksamkeit behandeln. 21
Als Christen sind wir Mitglieder einer weltweiten Glaubensfamilie und haben als solche überall eine Familie. Auch wir sollen denen, die unsere Brüder und Schwestern im Glauben sind, Gastfreundschaft entgegenbringen.
Die nächste Phase der Belohnung, von der Jesus sprach, kommt im zukünftigen Zeitalter und meint ewiges Leben. Diejenigen, die an Jesus glauben und ihm nachfolgen, die Ihn an die erste Stelle stellen, über andere Lieben und über den Reichtum dieser Welt, denen wird das ewige Leben versprochen.
Der Geschichte über den reichen jungen Herrscher lehrt uns, dass die Treue zu anderen Dingen uns davon abhalten kann, Jesus nachzufolgen. In diesem Fall war der junge Mann nicht bereit, die Treue von seinem Reichtum zu Gott zu verlagern - sein Reichtum war seine Priorität. In dieser Begegnung hat Jesus gezeigt, dass es eine Voraussetzung für wahre Jüngerschaft ist, Gott an die erste Stelle zu setzen.
Bemerkung
Zitierte Schriftstellen stammen vorwiegend aus: Neues Leben. Die Bibel © 2002 und 2006 SCM R. Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
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