Vergebung: Der fortlaufende Prozess
Yvette Gladstone
[Forgiveness: The Ongoing Process]
„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.“ 1Als ich das zum ersten Mal hörte, tat mir das Herz weh, und ich schämte mich fürchterlich. Wieso? Weil ich wusste, dass es Leute gab, denen ich nicht verziehen hatte. Trotzdem wollte ich wirklich, dass Gott mir für dumme Dinge vergibt, die ich getan hatte und die jemand anderen verletzt hatten. Ich fühlte mich sogar gegen diese Aussage rebellisch; deshalb schämte ich mich.
Ich wollte nicht, dass Gott mir so vergibt, wie ich anderen vergebe, denn ich wusste, dass ich anderen nicht vergeben hatte! Aber ich wollte, dass Gott mir vergibt, weil Er barmherzig ist, und weil ich es wirklich brauchte, und weil ich meine Taten bereute. Während anderen es nicht leidtat, was sie mir angetan hatten. Das war also nicht fair! So dachte ich jedenfalls.
Ich wandte und krümmte mich auf meinem Platz und in meinem Herzen und ich sagte Gott im Gebet, dass ich das nicht fair finde. Dann sprach Er zu meinem Herzen und sagte: „Es war auch nicht fair, was sie mir angetan haben“, und bezog sich dabei auf Seinen Tod am Kreuz.
Ich antwortete: „Das tut mir sehr leid. Aber du bist Gott, und du kannst das Unmögliche tun. Ich bin nur eine schwache Frau, die manchmal dumme Dinge tut.“
Er antwortete: „Nun, ich habe dich nach meinem Bild und Gleichnis geschaffen, nicht wahr? Du hast also das Zeug dazu, das zu tun, was du tun musst. Ich weiß es, weil ich es dir gegeben habe.“
„Oh ... ja richtig. Und vielen Dank auch. Na, dann musst du aber auch derjenige in mir sein, der ihnen verzeiht, denn ich fühle mich nicht stark genug. Du bist meine Stärke, Herr. Also bitte, tue es durch mich. Ich danke dir.“
Und seitdem hat Er mir jedes Mal geholfen! Vergeben ist nicht leicht, aber mit Seiner Hilfe ist es möglich.
Ich habe entdeckt, dass Vergebung ein fortwährender Prozess ist, und der Herr in Seiner Liebe und Barmherzigkeit hat mir einige Hilfsmittel gegeben, die mir auf dem Weg dorthin helfen, es leichter zu machen. Einige der Hilfsmittel sind lustig, andere sind tiefgründig, und wieder andere sind einfach vernünftig, indem sie die Dinge auf eine andere Art und Weise betrachten, vielleicht so, wie Gott die Dinge sieht.
Eines der lustigen Mittel ist der Sinn für Humor. Der Herr hat mir oft etwas Lustiges in den Sinn gegeben, gerade in einem Moment, in dem ich einen guten Lacher gebrauchen konnte, um mich zu erheitern, wenn ich eine Situation zu ernstnahm. In der Bibel steht, „Ein fröhliches Herz ist die beste Medizin.” 2Genau wie die richtige Medizin unsere Schmerzen lindern und unsere Heilung von Verletzungen oder Krankheiten beschleunigen kann, so kann ein fröhliches Herz – ein guter Sinn für Humor – sehr hilfreich sein, um unser Herz und unseren Geist zu trösten und zu besänftigen, wenn andere uns absichtlich oder unabsichtlich verletzt haben.
Wenn ich mich also durch etwas verletzt fühle, das jemand getan oder gesagt hat, half mir ein gutes Lachen, mich besser zu fühlen. Dadurch fällt es mir dann auch leichter, zu verzeihen. Nicht, dass Vergebung eine lustige Sache wäre. Sie ist sehr ernst und sehr notwendig! Doch der Herr weiß, dass ich jede Hilfe brauche, die ich bekommen kann.
Ich gebe ein Beispiel:
Als ich einmal mit einigen neuen Mitarbeitern zusammenarbeitete, konnte ich die Dinge einfach nicht so machen, wie sie es wollten. Ich war wütend auf sie und bemitleidete mich selbst. Alleine, im Gebet begann ich Gott zu sagen, Nun, wenn sie mich nicht mögen… Bevor ich meinen Satz beenden konnte, sagte eine leise Stimme zu meinem Herzen, „… dann werde ich ihre Pommes frites essen!“ Wie bitte?!
Das brachte mich zum Lachen! Weil es mich aus heiterem Himmel an einen Witz erinnerte, den mein verstorbener Mann und ich erlebt hatten. Vor Jahren, als er gerade anfing Spanisch zu lernen, aßen er und einige Freunde zusammen zu Mittag. Als sie fertig waren, sagte er zu jemandem in gebrochenem Spanisch: „Wenn du mich nicht magst, esse ich deine Pommes frites!“ Die Freunde waren schockiert! Dann lachten sie, denn was er sagen wollte, war: „Wenn du sie nicht magst, esse ich deine Pommes frites.“
Auf jeden Fall hat mir dieses Lachen geholfen, mich zu entspannen, und ich konnte meinen neuen Mitarbeitern verzeihen und aufhören, mich selbst so ernst zu nehmen.
Weiterhin ist das hilfreich, was ich „10 Dinge, die zu vergeben sind“ nenne. Es stammt aus dieser Anekdote:
An ihrer goldenen Hochzeit verriet meine Großmutter das Geheimnis ihrer langen und glücklichen Ehe. „An meinem Hochzeitstag beschloss ich, zehn der Fehler meines Mannes zu bestimmen, die ich um unserer Ehe willen übersehen würde“, erklärte sie. Ein Gast bat sie, einige dieser Fehler zu nennen. „Um ehrlich zu sein“, antwortete sie, „ich bin nie dazu gekommen, sie aufzulisten. Aber immer, wenn mein Mann etwas tat, das mich wütend machte, sagte ich zu mir selbst: ‚Zu seinem Glück ist das einer der zehn.‘“ 3
Ich persönlich habe dies auf alle anderen Familienmitglieder, Freunde und Bekannten übertragen.
Eine weitere hilfreiche Geschichte ist jene, die Corrie ten Boom zugeschrieben wird. Sie erklärt Vergebung anhand des Bildes einer großen Kirchenglocke. Hinsichtlich der schwierigen Emotionen, die mit dem Prozess der Vergebung verbunden sind – wie z. B. Feindseligkeit, verletzte Gefühle, schmerzhafte Momente immer wieder durchleben, usw. – sagt sie, der Prozess der Vergebung sei wie das Loslassen des Seiles, mit dem die Kirchenglocke geläutet wird. Wir sagen, wir vergeben und wir lassen los, aber die negativen Emotionen sind nicht sofort verschwunden. Nachdem wir das Seil losgelassen haben, läutet die Kirchenglocke eine Zeit lang weiter, jedoch immer langsamer und leiser, bis sie schließlich ganz aufhört.
Der vollständige Kreislauf der Vergebung mag einige Zeit in Anspruch nehmen, bevor er sich schließt, aber er bringt uns schließlich Frieden des Geistes und Ruhe für die Seele.
- Matthäus 6,12 GNB.
- Sprüche 17,22.
- Roderick McFarlane, in Reader's Digest, Dezember 1992
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