Jesus – Sein Leben und Seine Botschaft: Jesus vor Herodes
Peter Amsterdam
In jedem der vier Evangelien 1 lesen wir von der Verhandlung Jesu vor Pontius Pilatus. Allerdings lesen wir nur in einem Evangelium, wie Jesus von Pilatus zu König Herodes geschickt wird.
Im Lukasevangelium erklärte Pontius Pilatus, der römische Prokurator, Jesus für unschuldig.
Daraufhin sagte Pilatus zu den Hohenpriestern und der Volksmenge: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen.“ 2.
Die Hohenpriester und die Menschenmenge waren jedoch nicht mit Pilatus einverstanden und ließen ihn wissen, was sie davon hielten.
Aber sie drängten und sagten: „Er stachelt das Volk auf und lehrt in ganz Judäa, von Galiläa bis hierher.“ 3
In anderen Bibelübersetzungen heißt es, die Menge drängte immer weiter, wurde heftiger, und wurde hartnäckiger. Offensichtlich waren die Priester und die Menge nicht mit dem Urteil des Pilatus zufrieden.
Als Pilatus dies hörte, fragte er, ob der Mann ein Galiläer sei. Und als er erfuhr, dass er zum Herrschaftsbereich des Herodes gehörte, schickte er ihn zu Herodes, der sich zu dieser Zeit in Jerusalem aufhielt. 4
Herodes Antipas war einer der Söhne von Herodes dem Großen. Nach dem Tod von Herodes dem Großen wurde Palästina unter seinen Söhnen – Philippus, Herodes Antipas und Archelaus – aufgeteilt. Herodes Antipas wurde der Tetrarch von Galiläa und Peräa. Er war derjenige, der Johannes den Täufer enthaupten ließ.5 Schon früher in diesem Evangelium wurde Jesus vor ihm gewarnt.
In derselben Stunde kamen einige Pharisäer und sagten zu ihm: „Geh weg von hier, denn Herodes will dich töten.“ Er aber sprach zu ihnen: „Geht hin und sagt dem Fuchs: Siehe, ich treibe heute und morgen Dämonen aus und heile, und am dritten Tage beende ich mein Werk.“ 6
Der Palast der Hasmonäer, in dem Herodes gewohnt haben muss, war nur etwa zehn Minuten Fußweg von Pilatus' Palast entfernt.
Als Herodes Jesus sah, freute er sich sehr, denn er hatte sich schon lange danach gesehnt, ihn zu sehen, weil er von ihm gehört hatte, und er hoffte, ein Zeichen von Ihm zu sehen. So befragte er ihn lange, aber er gab keine Antwort. 7
Herodes freute sich darauf, Jesus zu sehen, denn er hoffte, dass Jesus ein Wunder vollbringen würde. Er versuchte eine ganze Weile, Jesus dazu zu bringen, mit ihm zu sprechen, aber Jesus schwieg. Ein Autor kommentiert: Das Schweigen Jesu sieht nach außergewöhnlicher Selbstbeherrschung aus. Er wird wie ein Verbrecher behandelt, aber aufgrund seiner göttlichen Zurückhaltung handelt er nicht wie einer. Vielleicht denkt Jesus, dass es nichts mehr zu sagen gibt, wenn ein Unschuldiger weiter verhört wird. 8
Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten standen daneben und klagten ihn heftig an. Und Herodes und seine Soldaten verachteten und verhöhnten ihn. Dann kleidete er ihn in prächtige Gewänder und schickte ihn zurück zu Pilatus.9
Die anwesenden religiösen Führer beschuldigten Jesus heftig, in der Hoffnung, das Urteil des Herodes beeinflussen zu können. Als Jesus dem Herodes nicht antworten wollte, schloss er sich seinen Soldaten, wahrscheinlich seiner Leibgarde, an, um Jesus zu verhöhnen. Sie kleideten Ihn in ein prächtiges Gewand (NLB), das in anderen Übersetzungen als ein glänzendes Gewand (ELB), ein Prachtgewand (NeÜ, SLT), Prunkgewand (EÜ) oder ein königliches Gewand (HFA) beschrieben wird. Dann wurde Er zu Pilatus zurückgeschickt.
Und Herodes und Pilatus wurden noch am selben Tag Freunde, denn vorher waren sie miteinander verfeindet.10
Wir erfahren nicht, warum die Beziehung zwischen Pilatus und Herodes bis zu diesem Zeitpunkt angespannt war, sondern nur, dass sie es war. Pilatus nutzte jedoch die Gelegenheit, Herodes gegenüber Respekt zu zeigen, und so wurden sie Freunde.
Jesus kehrt zu Pilatus zurück
Dann rief Pilatus die Hohenpriester, die Obersten und das Volk zusammen und sagte zu ihnen: „Ihr habt mir diesen Mann als einen gebracht, der das Volk verführt. Und als ich ihn vor euch verhörte, siehe, da befand ich diesen Menschen in keiner der Anklagepunkte, die ihr gegen ihn erhoben habt, für schuldig. Auch Herodes nicht, denn er hat ihn zu uns zurückgeschickt. Seht, er hat nichts getan, was den Tod verdient. Deshalb werde ich ihn bestrafen und freilassen.“ 11
Pilatus beteuerte weiterhin die Unschuld Jesu. Im Lukasevangelium versucht Pilatus dreimal, Jesus freizulassen. Zuerst erklärte er, dass Jesus unschuldig sei, und versuchte, die Juden dazu zu bringen, die Sache zu regeln. Zweitens schickte er Jesus zu Herodes, der Ihn verhöhnte und zu Pilatus zurückschickte. Drittens erklärte Pilatus, weil er Jesus für unschuldig hielt, dass er Ihn zwar bestrafen, doch dann freilassen würde. Im Lukasevangelium wird nicht berichtet, dass Jesus ausgepeitscht wurde, sondern nur, dass Pilatus sagte, er werde Ihn bestrafen und dann freilassen. In den drei anderen Evangelien steht ausdrücklich, dass Jesus ausgepeitscht wurde.
Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn auspeitschen.12
Der nächste Vers, Lukas 23,17, ist in einigen Übersetzung nicht enthalten, da er als nicht im Originaltext des Lukasevangeliums stehend angesehen wird. In manchen Handschriften folgt Vers 17:
Denn er musste ihnen aus Anlass des Festes einen [Gefangenen] freilassen. 13
Aber sie schrien alle zusammen: „Weg mit diesem Mann, und gib uns Barabbas frei“ – einen Mann, der wegen eines in der Stadt begonnenen Aufstands und wegen Mordes ins Gefängnis geworfen worden war.14
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der Name Barabbas „Sohn des Vaters“ bedeutet, denn Jesus war der Sohn des Vaters. Die Menge machte deutlich, dass sie Barabbas freilassen wollte und nicht Jesus. Im Matthäus-Evangelium wird er als „berüchtigter Gefangener“ bezeichnet, während Markus und Lukas ihn als jemanden bezeichnen, der an einem Aufstand beteiligt war, was wahrscheinlich bedeutet, dass er an einem der Aufstände gegen die römische Macht teilgenommen und dabei einen Mord begangen hat.
Pilatus wandte sich noch einmal an sie und wollte Jesus freilassen, aber sie riefen immer wieder: „Kreuzige, kreuzige ihn!“15
Pilatus wehrte sich zunächst gegen die Forderung der Menge. Doch die Menge forderte weiterhin vehement die Hinrichtung Jesu. In allen Evangelien ist der Ruf der Menge, Jesus zu kreuzigen, eine Reaktion auf den Vorschlag des Pilatus, Ihn als denjenigen freizulassen, der während des Festes begnadigt und freigelassen werden würde.
Ein drittes Mal sagte er zu ihnen: „Was hat er denn Böses getan? Ich habe an ihm keine Schuld gefunden, die den Tod verdient. Deshalb werde ich ihn bestrafen und freilassen.“ 16
Erneut erklärte Pilatus Jesus für unschuldig. Pilatus war davon überzeugt, dass Jesus sich nichts zuschulden kommen ließ, und erklärte dies auch mehrmals. Doch seine Entscheidung stellte die Menge nicht zufrieden.
Aber sie setzten ihm zu mit großem Geschrei und forderten, dass er gekreuzigt würde. Und ihr Geschrei nahm überhand. 17
Die Menge übte weiterhin Druck auf Pilatus aus und bestand darauf, dass Jesus gekreuzigt werden sollte. Die Beharrlichkeit der Menge deutet darauf hin, dass ihr Wunsch eher ein Befehl als eine Bitte war. Pilatus stand vor der Wahl, einen Aufstand in Jerusalem während eines großen Festes zu riskieren, wenn er der Forderung nach der Kreuzigung Jesu nicht nachgab. Pilatus kam wahrscheinlich zu dem Schluss, dass der Tod eines einzigen Mannes besser war als ein Aufruhr.
Also beschloss Pilatus, der Forderung nachzukommen. Er ließ den Mann frei, der wegen Aufruhrs und Mordes ins Gefängnis geworfen worden war und um den sie gebeten hatten, aber Jesus lieferte er ihrem Willen aus. 18
Die Proteste der Volksmenge setzten sich durch, und Pilatus ließ Barabbas frei. Im Markusevangelium heißt es,
Da nun Pilatus die Volksmenge zufriedenstellen wollte, ließ er Barabbas für sie frei, und nachdem er Jesus gegeißelt hatte, übergab er ihn, um ihn zu kreuzigen. 19
Im Buch Matthäus heißt es,
Da aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen; seht ihr zu!“ Da antwortete alles Volk und sprach: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ 20
In jedem der synoptischen Evangelien 21 beugt sich Pilatus den Wünschen derer, die den Tod Jesu fordern. Er versuchte, sich der Verantwortung für den Tod Jesu zu entziehen, indem er symbolisch seine Hände in Unschuld wusch. Er hatte jedoch dem Druck des Volkes nachgegeben und Jesus der Hinrichtung überlassen.
Hinweis:
Jegliche Schriftstelle wurde frei aus dem Englischen ins Deutsche übertragen, es sei denn, sie ist mit dem Kürzel der Version der verwendeten deutschen Übersetzung markiert
Allgemeine Quellenangaben
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