Gottes Ruf folgt keiner geraden Linie
Zusammenstellung
Für Christen in ihren Zwanziger oder Dreißigern stellt sich unser Karieredenken immer mit einem Hauch von Berufung dar. Zu meiner Zeit an einer christlichen geisteswissenschaftlichen Hochschule hörte ich oft meine Mitstudenten darüber reden, für eine ganz bestimmte Richtung berufen zu sein: z. B. als Mission in China Geschäfte zu machen, sich auf internationales Recht zu spezialisieren oder Sexhandel zu bekämpfen. Zwar sind es noble und achtenswerte Absichten, doch selbst innerhalb der Kirche können wir, wie die um sie herrschende Kultur, uns nur einen weitgehendst linearen und schmalen Weg für das vorstellen, was Gott von uns will. Wenn sich im Leben plötzliche Kehrtwendungen und chaotische Unterbrechungen (mein kleiner Babyjunge ist eine davon) einstellen, werden wir verstört und halten unsere Berufung für ins Stocken geraten. Haben wir Gott falsch verstanden? Machen wir etwas falsch?
Es befreit, wenn man erkennt, dass eine Berufung nicht linear zu sein hat. ... Ein mir teurer geistiger Mentor erklärte mir, was sich für Gott wie die direkteste Verbindung von Punkt A nach Punkt B darstellt, sieht für uns wie ein ins Nichts führender, sich windender Pfad in der Wildnis aus. Mose verbrachte Jahrzehnte damit, Vieh im Nirgendwo zu hüten, bevor er auf den brennenden Busch stieß. Genauso verbrachte Jesus den größten Teil Seines Arbeitslebens als unbekannter Zimmermann, bevor Ihn der Geist in Vorbereitung auf Seinen öffentlichen Dienst hinaus in die Wüste rief.
Oft rezitieren wir lieber die aufregenden Höhepunkte dieser Geschichten – Mose erhebt sich gegen Pharao, Jesus heilt den Lahmen und erweckt die Toten – statt die Vorbereitungsjahre und die Ungewissheit, die ihnen vorausgingen. Dasselbe trifft auch auf unser eigenes Leben zu. Viel lieber reden wir über die Gründung unserer Geschäfte in China oder wie wir zu unserem Traumberuf in der Mission für internationale Gerechtigkeit kamen, als über die eintönigen Jobs oder unproduktiven Zeiten vorher. Wir denken uns, „Genau da hat mein Leben erst richtig begonnen.“
Dennoch verlangt Gott Treue im Alltäglichen, sei es Schafehüten, Holz zersägen, Schreibarbeit im Büro oder zuhause Windelwechseln. Gott ruft uns dazu auf, Seine Liebe in dieser Welt heute zu verkörpern, nicht erst dann, wenn unsere Kariere abhebt. Für eine Weile dranzubleiben, das „Unnötige“ zu tun, ist ebenso wichtig, sagt Tim Keller, denn dadurch lernen wir etwas, das uns befähigt, später dann Salz und Licht zu sein.
Vielleicht sollten wir die Frage „Was wirst du nach deinem Abschluss machen?“, durch die ersetzen „Zu was für einer Art von Person hat dich Gott berufen?“ Das verhilft jungen Erwachsenen ihre Identität weg von der sich unweigerlich verändernden Kariere zu orientieren, und hin zu dem Charakter, der sich nur im Laufe eines Lebens ausprägen wird. Ich habe noch nicht herausgefunden, was ich mache, doch weiß ich, Gott ruft mich zu einem Leben in der Stille und Ruhe geborener Gastfreundschaft, Großzügigkeit und Weisheit. – Liuan Huska [1]
*
„Ich glaube, Gott ruft mich zu etwas Anderem“, bemerkte ich behutsam meinem Hauptpastor gegenüber.
„Meinst du damit etwas Anderes innerhalb der Kirche, oder meinst du, Gott ruft dich aus der Kirche raus?“, forschte er nach.
Am selben Tag später erzählte ich meiner Frau von dieser Unterhaltung. „Was hast du getan?“, rief sie aus. „Was, wenn er dich bittet zu gehen?“
„Ich glaube nicht, dass er das tun wird.“ Ich war mir zwar nicht sicher, doch stellte sich heraus, ich sollte recht behalten. Achtzehn Monate später stieg ich aus meiner „Traum“-Stelle aus, um dem Ruf zu folgen, den ich von Gott vernommen hatte.
Bald sah ich dieses Jobangebot und war mir sicher. Das war die Stelle – eine bezuschusste Arbeit an der örtlichen Hochschule, Studenten auf das Studium vorzubreiten. Ohne Erfahrung und Bescheinigungen öffnete der Herr eine Tür für mich weit auf. Der Job dauerte vier Jahre.
Als der Zuschuss für die Stelle endete, hatte ich nicht den Eindruck, heraus gerufen worden zu sein, sondern dazu gezwungen worden zu sein. Widerwillig suchte ich und fand eine Stelle als Berater an einem hiesigen Gemeindecollege.
„Herr, was hast du vor?“, wurde meine tägliche Frage.
Bei diesen letzten Veränderungen befielen mich Mutlosigkeit bis hin zu Depressionen. Auf keinen Fall war es leicht. Hier sind ein paar Punkte, die der Herr mir beigebracht hat.
Persönlichkeit ist nicht an eine Berufung gebunden. Gott sorgt sich unendlich mehr um meinen Charakter als um meine Karrieremöglichkeiten. Das scheint eine wiederkehrende Lektion für mein Leben zu sein. Anscheinend schwierig zu erlernen, gerade, wenn man sich in der Kirche aufgewachsen zum „Dienst“ berufen fühlt und eine recht gute Vorstellung von dem hatte, was es damit auf sich hat.
Es war eine aufreibende Zeit. Auch wenn ich verstehe, dass meine Persönlichkeit in Christus alleine ist, wenn ich das von ganzem Herzen glaubte, dann würde es weniger Tage geben, an denen ich Gottes Tun in Frage stellte und die Tage, an denen ich tatkräftig durch Seine Kraft handelte, wären weit mehr gewesen.
Der Dienst geht über die Kirchenarbeit hinaus. Der Ruf zum Dienst reicht über die Kirchenmauern hinweg. In seinem Buch Organic Chrurch schlägt Neil Cole vor, den großen Auftrag wie folgt zu übersetzen, „Wenn ihr geht, macht zu Jüngern ...“ Ein interessanter Gedanke, oder? Jünger zu gewinnen ist nicht allein Sache der Kirchenangestellten oder des Pastors. Die Arbeit trifft auf uns alle zu. In unserem Tagesablauf besteht unsere Aufgabe darin, die Leute näher an Gott heran zu bringen.
Wir brauchen Ärzte, Ingenieure, Krankenpfleger und sogar Politiker, die tätig an den Dienst in ihrer Aufgabe glauben und sich engagieren. Zu lange bestand eine Trennung zwischen „weltlicher“ und „heiliger“ Arbeit. Für den Herrn gibt es keine solche Trennung (außer für jene, die das Wort unterrichten – für die gilt eine besondere Verantwortung). Wir sind dazu berufen, dem Herrn zuzuhören und zu gehorchen, dabei Seine Gnade und Liebe an jene weiterzugeben, mit denen wir täglich zu tun haben.
Gott hat uns nicht berufen zu verstehen, sondern zu gehorchen. Genau diesen Satz habe ich als Pastor anderen gesagt. Leicht dahingesagt, wenn man eine bequeme, sichere Stellung innehat. Fragt man sich aber, was im Himmel der Herr da in deinem Leben vorhat, stellt es eine schwer zu lebende Feststellung dar. Gott bediente sich dieser Zeit, mich von allem zu entblößen, selbst Gutem, das, was man als „Arbeit für den Dienst“ bezeichnet.
Während Gott mich von einigen tief verwurzelten Vorstellungen befreit, bleibt mir am Ende nur meine Beziehung mit Christus. Er bringt mir bei, mich von allem zu trennen, was mich daran hindern könnte, bei meiner wahren Identität zu bleiben ... in Ihm. – Will Ratliff
*
Ich lese gerne über die berühmten Christen der Vergangenheit – der weit zurückliegenden und der neueren – und ihre Liebe zu Jesus, die ihnen die Zuversicht gab, überall hinzugehen, wohin Er sie zu gehen bat. Das Leben vieler dieser Christen hat mich schon als kleines Mädchen inspiriert.
Weißt du, was das Wichtigste war, was diese Christen großmachte? Alle waren sie großartig, weil sie der Berufung Gottes für ihr Leben Folge leisteten, egal, was es war – und ihre Berufungen konnten nicht unterschiedlicher sein! Nicht alle wurden Pastoren, nicht alle wurden Evangelisten, nicht alle Liederschreiber, nicht alle beschäftigten sich in Waisenhäusern oder mit Aussätzigen oder den Armen. Einige waren Geschäftsleute, einige Lehrer, andere waren Politiker, einige Viehzüchter, andere waren Mütter, wieder andere hatten die Berufung, im Gebet zu dienen. Nichts desto weniger waren sie alle Missionare, Leute wie du und ich, ausgesandt mit einer Botschaft von Gottes Liebe.
Nicht alle waren auf weit entfernte Missionsfelder berufen worden. Einige hatten die Berufung, dort zu bleiben, wo sie waren in ihrer Nachbarschaft oder ihren Heimatstädten. Einige von ihnen waren noch sehr jung, als sie den Ruf hörten, für den Herrn zu arbeiten, andere schon älter. Einige starben jung bei ihrer Arbeit für Jesus, andere wiederum erst im reifen Alter. Einige brachten Großes und andere scheinbar nur Geringeres zustande. Da sie aber taten, worum Gott sie bat, wurde ihr Leben zu einem Segen für viel andere. Alle waren großartig, weil sie von ganzem Herzen Gottes Ruf in ihrem Leben erfüllten. – Maria Fontaine
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Es sieht uns nicht ähnlich, die Berufung Abrahams zu besitzen, die Vorfahren einer großen Nation zu werden. [3] Wenige von uns besitzen die Kraft Samsons, die Verfechter des Bösen zur Rechenschaft zu ziehen. [4] Selten wird jemand mit der Verantwortung betraut, wie Ester, die Leute unseres Landes zu beschützen. [5] Und die wenigsten besitzen die Furchtlosigkeit des Propheten Daniel, ihr Leben mit Leib und Leben einzusetzen, [6] oder sogar die Lebenskraft des Apostel Paulus, fast die ganze seinerzeit bekannte Welt zu evangelisieren. [7]
Die meisten von uns ähneln mehr den unbekannten Personen, die wir in den Evangelien finden, wie die Menschen, die auf dem Gras saßen und Jesus zuhörten, die das Brot und den Fisch genossen und die wir dabei hoffentlich Sein Wort in unser Herz sinken lassen und unser Leben verändern. [8] Er hat uns viel zu beißen gegeben, das ist sicher.
Wir brauchen nichts Außergewöhnliches oder Auffallendes mit unserem Leben zustande zu bringen, damit es etwas wert ist. Das Geheimnis liegt darin, herauszufinden, was Gottes Ruf für uns ist und wie wir ihm am besten folgen können. Einige der bedeutendsten Leben bauen sich darauf auf, Kleinigkeiten auf die unterschiedlichsten Arten zu erledigen. – Abi May
Erschienen auf Anker im März 2016.
- http://www.christianitytoday.com/women/2015/september/moses-and-jesus-didnt-have-their-dream-jobs-by-30-either.html.
- http://www.thehighcalling.org/work/work-god-called-out-ministry.
- Siehe 1. Mose 12.
- Siehe Richter 16.
- Siehe Ester 4.
- Siehe Daniel 6.
- Siehe Apostelgeschichte 13–15, 18.
- Siehe Matthäus 14.
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