Die Geschichten, die Jesus erzählte: Die bösen Pächter, Lukas 20,9-19
Peter Amsterdam
Anmerkung: Als ich kürzlich die Serie „Die Geschichten, die Jesus erzählte“ durchging, fiel mir auf, dass es ein Gleichnis gab, das ich noch nicht behandelt hatte, also gehe ich in diesem Artikel darauf ein.
Das Gleichnis von den bösen Pächtern findet sich in allen drei synoptischen Evangelien.1 Der Schwerpunkt wird hier auf dem Bericht aus dem Lukasevangelium liegen, wobei einige Punkte aus dem Matthäus- und Markusevangelium eingebracht werden. Im Lukasevangelium findet sich dieses Gleichnis in Kapitel 20, zwischen dem Vorfall, als die Hohepriester, Schriftgelehrten und Ältesten Jesu Autorität infrage stellten und als sie Ihn fragten, ob es für das jüdische Volk rechtmäßig sei, Steuern an den Kaiser zu zahlen.2
Er begann, dem Volk dieses Gleichnis zu erzählen: „Ein Mann pflanzte einen Weinberg und vermietete ihn an Pächter und ging für eine lange Zeit in ein anderes Land. Als die Zeit kam, schickte er einen Knecht zu den Pächtern, damit sie ihm etwas von der Frucht des Weinbergs gäben. Aber die Pächter schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen weg.“ 3
Weinstöcke und Weinberge waren in Israel zurzeit Jesu weit verbreitet, wie sie es auch heute noch in diesem Teil der Welt sind. Nahezu jeder, der etwas Land besaß, hatte auch Weinstöcke. In diesem Gleichnis bezog sich Jesus jedoch auf einen größeren Weinberg, der einem abwesenden Grundbesitzer gehörte, der Pächter hatte, die das Grundstück bearbeiteten. Im Matthäus-Evangelium werden weitere Details über den Weinberg gegeben. Der Besitzer des Weinbergs pflanzte nicht nur einen Weinberg, sondern baute eine Mauer darum, hob eine Grube aus, um darin den Traubensaft zu keltern, und baute einen Wachturm.4 Das deutet darauf hin, dass der Besitzer eine beträchtliche Menge Geld in den Weinberg investiert hatte, und er hoffte, eine gute Rendite für seine Investition zu erhalten. Neu angelegte Weinberge brauchen einige Jahre, bevor sie Früchte tragen, also war dies vielleicht das erste Jahr, in dem es eine Ernte gab. Doch anstatt dem Besitzer das zu geben, was ihm zusteht, schlugen die Pächter den Diener des Besitzers, der ausgesandt worden war, um den fälligen Betrag einzutreiben. Nachdem sie ihn geschlagen hatten, schickten sie ihn ohne jegliche Bezahlung zum Besitzer zurück.
„Darauf sandte der Besitzer einen anderen Diener, doch dem erging es genauso: Er wurde geschlagen, verspottet und musste mit leeren Händen wieder umkehren. Ein dritter Mann wurde geschickt und wieder geschah das Gleiche; auch er wurde verwundet und fortgejagt.“ 5
Das zweite Mal, als der Besitzer seinen Vertreter schickte, um das Fällige einzutreiben, schlugen sie den Diener und behandelten ihn schändlich. Das griechische Wort, das mit „schändlich“ übersetzt wird, bedeutet, dass sie ihn entehrten, beschimpften und mit Verachtung behandelten. In einem dritten Versuch, das einzutreiben, was ihm rechtmäßig zustand, schickte der Besitzer des Weinbergs einen weiteren Diener, der verwundet wurde, vermutlich weil er wie die vorherigen Diener geschlagen wurde. In den Evangelien von Markus6 und Matthäus7 wird uns berichtet, dass die Pächter einige der vom Besitzer des Weinbergs Gesandten schlugen, steinigten und sogar töteten.
‚Was mache ich jetzt?‘, überlegte der Besitzer. ‚Ich weiß! Ich werde meinen geliebten Sohn schicken. Vor ihm werden sie Respekt haben.‘ Doch als die Bauern seinen Sohn sahen, sagten sie sich: ‚Da kommt der Erbe dieses Weinguts. Lasst uns ihn umbringen; dann gehört alles uns!‘ Und sie warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn.8
Da es nicht gereicht hatte, seine Diener zu schicken, schickte der Besitzer seinen Sohn, der viel mehr Autorität hatte als seine Diener. Er erwartete, dass die Pächter die Autorität seines Sohnes respektieren würden, aber er irrte sich. Die Pächter sahen die Gelegenheit, den Erben zu beseitigen, als ein Mittel, sich den Weinberg zu sichern. Sie dachten vielleicht, dass der Hausherr gestorben war und dass sein Sohn nun den Weinberg besaß. Wenn dem so war, würde die Beseitigung des Erben den Weinberg herrenlos machen, und sie könnten ihn möglicherweise in Besitz nehmen. Was auch immer sie dachten, sie warfen den Sohn aus dem Weinberg und töteten ihn dann.
Jesus deutete dann das Gleichnis, indem Er eine Frage stellte und gleichzeitig beantwortete.
„Was, glaubt ihr, wird der Besitzer des Weinbergs mit diesen Bauern machen?“, fragte Jesus. „Ich sage euch: Er wird kommen, sie alle töten und den Weinberg an andere verpachten.“ Seine Zuhörer erwiderten entsetzt: „Das soll niemals geschehen!“
Die Möglichkeit, dass diese Pächter den Weinberg in Besitz nehmen könnten, nachdem sie den Sohn getötet hatten, war gleich null. Der Besitzer des Weinbergs, der Vater des getöteten Sohnes, hätte diejenigen, die seinem Sohn das Leben nahmen, vernichtet. Der Bericht im Matthäusevangelium ist sogar noch stärker formuliert: Sie antworteten: „Er wird diese heimtückischen Mörder einen schrecklichen Tod sterben lassen und den Weinberg an andere Bauern verpachten, die ihm nach jeder Ernte seinen Anteil geben.“
Diejenigen, die zuhörten, waren schockiert über die Auslegung des Gleichnisses und seine Implikation eines harten Urteils über die jüdische Führung sowie darüber, dass der Weinberg anderen gegeben wurde, womit die Heiden gemeint waren. Was Jesus jedoch beschrieb, war in Wirklichkeit das, was im Jahr 70 n. Chr. geschah, als die Römer die Stadt Jerusalem und den jüdischen Tempel zerstörten und dann das Volk Israel deportierten.
Jesus schloss, indem Er aus Psalm 118 und Jesaja 8 zitierte.
Jesus sah sie an und sagte: „Was hat dann die Schriftstelle zu bedeuten: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.‘? Wer über diesen Stein stolpert, wird daran zerbrechen, und auf wen er fällt, den wird er zerschmettern.“ 11
Ein Eckstein, auf den in Psalm 118,22 Bezug genommen wird, ist ein Stein, der im Bauwesen verwendet wird und das Gewicht und die Belastung der darauf gebauten Wände trägt. Ohne den Eckstein würden die Mauern und damit das ganze Gebäude einstürzen. Jesus ist der Eckstein, das Fundament von Gottes Gebäude – dem Leib der Gläubigen, der Gemeinde.
Jesus zitierte dann aus Jesaja 8,14-15, der auf diejenigen anspielt, die durch das Evangelium beleidigt werden und den Stein ablehnen und deshalb ein schweres Gericht erleben. Der erste Teil spricht von der jüdischen Führung, die auf den Stein fallen und in Stücke zerbrochen werden würde, was bedeutet, dass sie ein verheerendes Gericht erleben würden. Der gleiche Gedanke wird dann mit dem Bild des Steins wiederholt, der auf diese Leiter fällt und sie zermalmt.
Das Gleichnis Jesu spiegelt wider, was an anderer Stelle im Buch Jesaja geschrieben steht.
Ich will ein Lied für den singen, den ich liebe, von meinem Freund und dessen Weinberg: Mein Geliebter hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Anhöhe. Er grub ihn um, säuberte ihn von Steinen und pflanzte edle Weinstöcke. In der Mitte errichtete er einen Turm, er schlug eine Kelter in ihm aus. Dann wartete er auf Trauben, aber es wuchsen nur Herblinge. „Nun, ihr Einwohner Jerusalems und Männer Judas, richtet doch zwischen mir und meinem Weinberg. Was hätte ich für meinen Weinberg noch mehr tun können, das ich nicht getan habe? Warum brachte mein Weinberg nur Herblinge hervor, obwohl ich mit Trauben rechnete? Ich sage euch, was ich mit meinem Weinberg mache: Ich werde seine Umzäunung entfernen und ihn der Verwüstung preisgeben. Ich reiße seine Mauer ein und lasse ihn zertrampeln. Ich will ihn vernichten! Er soll nicht mehr beschnitten und nicht mehr gejätet werden. Disteln und Dornen sollen ihn überwuchern. Und ich will den Wolken befehlen, keinen Regen mehr auf ihn fallen zu lassen.“ Das Haus Israel ist der Weinberg des Herrn, des Allmächtigen. Die Männer Judas sind sein schöner Garten. Er erwartete Rechtsspruch, doch stattdessen bekam er Rechtsbruch. Er erwartete Gerechtigkeit, doch stattdessen bekam er Hilfeschreie. 12
Das Gleichnis von den bösen Pächtern diente Jesus als Mittel, um die Geschichte Israels zu beschreiben. Gott hatte Propheten gesandt, um Sein Volk zu leiten und zu warnen, und einer nach dem anderen wurde zurückgewiesen. Dann sandte Er seinen eigenen Sohn zum Volk Israel, und Jesus rief sie geduldig auf, Ihm zu folgen und Frucht zu bringen. Traurigerweise versagte das Volk, das die Propheten konsequent verworfen hatte, auch darin, Gottes Sohn zu empfangen und an Ihn zu glauben. Indem Jesus dieses Gleichnis erzählte, sagte Er Seinen eigenen Tod als den Höhepunkt ihrer Ablehnung voraus.
Natürlich ist es wichtig zu erkennen, dass nicht das ganze Volk Israel Jesus ablehnte. Er und Seine ersten Jünger waren alle Juden. Der Apostel Paulus, der eine wichtige Rolle dabei spielte, das Christentum in die westliche Welt zu bringen, war ebenfalls Jude. Paulus wies oft darauf hin, dass die Nationalität keinen Unterschied macht, wenn es um die Erlösung geht; was zählt, ist der Glaube, eine neue Schöpfung zu werden.
Es spielt keine Rolle mehr, ob wir beschnitten wurden oder nicht. Es zählt nur, ob wir wirklich zu neuen, veränderten Menschen geworden sind. Und allen, die nach diesem Maßstab leben, schenke Gott Barmherzigkeit und Frieden – ihnen und dem auserwählten Volk Gottes. 13
Die bösen Pächter, Lukas 20,9-19
9 Danach erzählte Jesus dem Volk folgendes Gleichnis: „Ein Mann pflanzte einen Weinberg, verpachtete ihn an einige Bauern und zog für mehrere Jahre in ein anderes Land.
10 Zur Zeit der Weinlese schickte er einen seiner Diener, um seinen Anteil an der Ernte einzufordern. Doch die Bauern überfielen den Diener, verprügelten ihn und schickten ihn mit leeren Händen zurück.
11 Darauf sandte der Besitzer einen anderen Diener, doch dem erging es genauso: Er wurde geschlagen, verspottet und musste mit leeren Händen wieder umkehren.
12 Ein dritter Mann wurde geschickt und wieder geschah das Gleiche; auch er wurde verwundet und fortgejagt.
13 ‚Was mache ich jetzt?‘, überlegte der Besitzer. ‚Ich weiß! Ich werde meinen geliebten Sohn schicken. Vor ihm werden sie Respekt haben.‘
14 Doch als die Bauern seinen Sohn sahen, sagten sie sich: ‚Da kommt der Erbe dieses Weinguts. Lasst uns ihn umbringen; dann gehört alles uns!‘
15 Und sie warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn. Was, glaubt ihr, wird der Besitzer des Weinbergs mit diesen Bauern machen?“, fragte Jesus.
16 „Ich sage euch: Er wird kommen, sie alle töten und den Weinberg an andere verpachten.“ Seine Zuhörer erwiderten entsetzt: „Das soll niemals geschehen!“
17 Jesus sah sie an und sagte: „Was hat dann die Schriftstelle zu bedeuten: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.‘?
18 Wer über diesen Stein stolpert, wird daran zerbrechen, und auf wen er fällt, den wird er zerschmettern.“
19 Als die Schriftgelehrten und obersten Priester dies hörten, hätten sie Jesus am liebsten sofort verhaftet. Sie merkten, dass mit den Bauern in dieser Geschichte sie gemeint waren. Doch sie fürchteten sich vor der Reaktion des Volkes, wenn sie ihn gefangen nehmen ließen.
Hinweise
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- Matthäus 21,33-46, Markus 12,1-11, und Lukas 20,9-19.
- Vgl. „Jesus - Sein Leben und seine Botschaft: Die Frage der Autorität“
- Lukas 20,9-10.
- Matthäus 21,33.
- Lukas 20,11-12.
- Markus 12,5.
- Matthäus 21,35.
- Lukas 20,13-15.
- Lukas 20,15-16.
- Matthäus 21,41.
- Lukas 20,17-18.
- Jesaja 5,1-7.
- Galater 6,15-16.
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