Der Schatz und die Perle
Peter Amsterdam
Das Matthäusevangelium enthält zwei kurze Gleichnisse über das Reich Gottes, „Der Schatz im Acker“ und „Die Perle von großem Wert“, die in den anderen Evangelien nicht zu finden sind. Es handelt sich um zwei Gleichnisse, die den Wert des Reiches Gottes und die Freude lehren, es zu finden. Werfen wir einen Blick auf sie:
„Das Himmelreich gleicht einem Schatz, der in einem Acker verborgen war und den ein Mann fand und verbarg. Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. Und das Himmelreich gleicht einem Kaufmann, der feine Perlen suchte und als er eine Perle von großem Wert fand, hinging und alles verkaufte, was er hatte und sie kaufte.“ 1
Im Laufe der Geschichte, bevor es Tresore oder Banken gab, versteckten die Menschen ihre Wertsachen in der Erde, vor allem in unsicheren Zeiten, wie zum Beispiel im Krieg. Josephus, der antike jüdische Historiker, schrieb über die Folgen der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr.: „Und doch fand sich unter den Trümmern der Stadt eine nicht geringe Menge der Reichtümer, die in der Stadt gewesen waren, von denen die Römer eine Menge ausgruben, ... welche die Besitzer unter der Erde aufbewahrt hatten, um sich gegen das unsichere Kriegsglück zu wappnen.“ 2
Das Vergraben von Wertgegenständen war nicht unüblich. Wenn eine Person (oder eine Familie) Wertsachen vergrub und starb, ohne dass andere vom Verbleib des Schatzes wussten, blieb der Schatz, um von jemand anderem entdeckt zu werden. Von Zeit zu Zeit stießen Menschen – zu ihrer großen Freude – auf verborgene Schätze, die von anderen zurückgelassen worden waren.
Der Mann in dem Gleichnis war eine solche Person. Wie bei Gleichnissen üblich, erhalten wir auch hier nur die Informationen, die für die Aussage des Gleichnisses notwendig sind. Wir erfahren nicht, wer der Mann war, was er auf dem Feld tat, wie er den Schatz fand oder was es war. Wir wissen nur, dass er den Schatz fand und ihn versteckt hat, um ihn zu verbergen, und dass er das Feld kaufte, in dem der Schatz lag.
Jesus ging nicht darauf ein, ob es für den Mann moralisch vertretbar war, dem jetzigen Besitzer nicht zu sagen, dass sein Feld etwas Wertvolles enthielt. Aus den rabbinischen Schriften, die sich mit solchen Fragen befassen, geht hervor, er habe ein Recht darauf, weil er den Schatz gefunden habe. Da nicht erwähnt wird, ob der Mann etwas Falsches getan hat, und da das Gleichnis sich nicht mit Ethik befasst, geht man davon aus, ein solches Verhalten würde nicht als moralisch falsch empfunden werden. Die Pointe des Gleichnisses ist, dass der Mann überglücklich war, als er den Schatz fand und bereit war, alles zu verkaufen, was er besaß, um das Feld zu kaufen.
Im zweiten Gleichnis ist ein Kaufmann auf der Suche nach feinen Perlen. In der Antike galten Perlen als sehr kostbare Schmuckstücke und waren sehr wertvoll. Taucher fischten im Roten Meer, im persischen Golf und im Indischen Ozean nach ihnen, und nur die Wohlhabenden konnten sie sich leisten. Der Schriftsteller Plinius der Ältere aus dem ersten Jahrhundert beschrieb Perlen als die wertvollsten Güter, die „den ersten Platz“ und „den höchsten Rang unter allen wertvollen Dingen“ einnahmen. 3 Im Neuen Testament werden Perlen zusammen mit Gold und Edelsteinen klassifiziert. 4
Im Gegensatz zu dem Mann, der auf dem Feld auf einen Schatz stößt, handelt es sich in diesem Gleichnis um einen Kaufmann – nach dem verwendeten griechischen Wort wahrscheinlich ein Großhändler –, der von Stadt zu Stadt reist, um Perlen zu kaufen und weiterzuverkaufen. Als er eine erstklassige, äußerst wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, um sie zu kaufen.
Die Botschaft Jesu, die in diese beiden Wortbilder eingebettet ist, hätte wahrscheinlich bei einer Vielzahl von Zuhörern Anklang gefunden. Viele Menschen hätten sich leicht mit dem Mann identifizieren können, der den Schatz auf dem Feld fand. Er hätte ein Tagelöhner, ein Landwirt, ein Pächter, ein Vorarbeiter, ein Verwalter oder einfach ein Passant sein können. Die Tatsache, dass der Verkauf seines gesamten Besitzes genug einbrachte, um das Grundstück zu kaufen, zeigt, dass er nicht mittellos, aber auch nicht reich war. Er rechnete nicht damit, etwas Wertvolles zu finden; er war nicht auf. Wahrscheinlich hätten sich viele, die dieses Gleichnis hörten, mit ihm identifiziert und wären natürlich gerne selbst in dieser Situation gewesen.
Die Geschichte des zweiten Mannes richtete sich an ein anderes Publikum. Jemand mit einem Beruf wie dem seinen wäre wahrscheinlich dorthin gereist, wo Perlen verkauft wurden. Er musste eindeutig über ein gewisses Vermögen verfügen, um überhaupt im Perlengeschäft tätig zu sein, und der Preis dieser Perle erforderte, alles zu verkaufen, was er hatte, um sie zu kaufen. Jeder Geschäftsmann aus der Zuhörerschaft Jesu konnte die Hoffnung nachvollziehen, reich zu werden, indem er ein finanzielles Risiko einging und als Sieger hervorging.
Die Vorstellung, auf einen verborgenen Schatz zu stoßen und das nötige Risiko einzugehen, um ihn zu erwerben, ist eine spannende Geschichte, ebenso wie die Idee, an exotische Orte zu reisen, eine große Chance zu finden und sie erfolgreich zu nutzen. Diese Geschichten erregten Aufmerksamkeit und weckten Gedanken an die Freude, unermessliche Reichtümer zu entdecken.
Auch wenn die Art und Weise, wie die wertvollen Schätze gefunden wurden, unterschiedlich war – einer wurde unerwartet gefunden, der andere wurde sorgfältig gesucht – mussten beide Männer entschlossen handeln, um sie zu erwerben. Die Entdeckung der Schätze war nicht alles, – sie mussten erst verkaufen und dann kaufen, und nur durch diese Handlungen gelangten sie in den Besitz dieser Kostbarkeiten. In beiden Gleichnissen sahen sich die Männer mit einzigartigen Gelegenheiten konfrontiert, die ein großes Handeln erforderten, um die Gelegenheit nicht zu verpassen. Diese Entscheidung zu treffen und das Risiko einzugehen, würde ihr Leben verändern.
Was wollen uns diese Gleichnisse vermitteln? Jesus sagt, das Himmelreich sei wie jemand, der etwas sehr Wertvolles gefunden hat und ein Risiko eingeht, um es zu erhalten. Die Entdeckung ist aufregend, man ist sich seines Wertes bewusst und weiß um den hohen Preis, den es kostet, es zu erhalten. Wegen seines Wertes und der Freude, es zu besitzen, ist es wert, alles zu verkaufen, um es zu erhalten.
Durch das Opfer und die Auferstehung Jesu in das Reich Gottes einzutreten, ein Kind Gottes zu werden und Seinen Geist in uns wohnen zu haben, ist sowohl aufregend als auch wertvoll. Das Reich Gottes zu finden bedeutet, einen Schatz zu finden, der jeden Preis wert ist. Die beiden Männer in den Gleichnissen verkauften alles, um den Acker und die Perle zu bekommen, um einen wertvollen Schatz zu gewinnen. Auch das Reich Gottes ist es wert, alles dafür zu geben. Der hohe Preis sollte im Licht des unermesslichen Gewinns gesehen werden.
Wie der Apostel Paulus sagte: „Früher hielt ich all diese Dinge für außerordentlich wichtig, aber jetzt betrachte ich sie als wertlos angesichts dessen, was Christus getan hat. Ja, alles andere erscheint mir wertlos, verglichen mit dem unschätzbaren Gewinn, Jesus Christus, meinen Herrn, zu kennen. Ich habe alles andere verloren und betrachte es als Dreck, damit ich Christus habe und mit ihm eins werde.“ 5
Christus zu kennen, Teil des Reiches Gottes zu sein, ist über alles zu stellen. Das Konzept, alles zu verkaufen, was man hat, um es zu erlangen, drückt die Wahrheit aus, dass kein Preis zu hoch ist, wenn es darum geht, das Reich Gottes zu erlangen; der Eintritt in das Reich Gottes ist es wert, alles andere dafür aufzugeben. Ein Leben mit Gott im Mittelpunkt kostet zwar, aber die ewige Freude und der unermessliche Wert, Teil des Reiches Gottes zu sein, sind es allemal wert.
Ursprünglich erschienen am 27. Juli 2015. Überarbeitet und neu veröffentlicht im Oktober 2021.
Hinweis: Alle Schriftstellen wurden frei aus dem Englischen ins Deutsche übertragen, es sei denn, sie sind mit den Kürzeln der Version der verwendeten deutschen Übersetzung markiert.
- Matthäus 13,44-46.
- Josephus, Jüdische Kriege, 7,114-115.
- Arland J. Hultgren, The Parables of Jesus (Grand Rapids: William B. Eerdmans Publishing Company, 2000), 420.
- 1. Timotheus 2,9.
- Philipper 3,7-9 NLB.
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