Oktober 17, 2018
In jedem der synoptischen Evangelien1zitiert Jesus zwei Gebote aus dem Alten Testament. Das erste stammt aus 5.Mose:
Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.2
Das zweite stammt aus 3.Mose:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.3
Das ist was das mosaische Gesetz besagt:
Übe keine Rache an einem Angehörigen deines Volkes und trage ihm nichts nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst.4
Das jüdische Verständnis für den „Nächsten“ waren andere Juden. Wie ein Autor erklärt:
Im Judentum war der Nächste jemand mit ähnlichem religiösem Denken, nicht einer, der gegensätzlich und feindselig war. ... In einigen Bewegungen im Judentum wurde genau das Gegenteil instruiert, wie in Qumran, wo das Recht, seine religiösen Feinde zu hassen, erlaubt war.5(Qumran ist eine archäologische Stätte ungefähr 1,5 km vom Toten Meer entfernt, in deren Höhlen die ‚Schriftrollen vom Toten Meer‘ gefunden wurden. Einige Bibelgelehrte glauben, dass eine religiöse Gemeinschaft mit Namen die Essenerin Qumran lebte und deren Glauben nicht mit den jüdischen Standardüberzeugungen der Zeit übereinstimmen.)
Zu wissen, dass einige Juden unterschiedliche Interpretationen der Schrift hatten, hilft zu verstehen, warum Jesus im Matthäusevangelium auf einen Ausspruch verweist, der so in der Schrift nicht zu finden ist:
Ihr habt gehört, dass gesagt ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben“ und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.6
Im Lukasevangelium erweitert Jesus das Konzept der Liebe zu den Feinden, indem Er Beispiele dafür gibt, wie Seine Nachfolger diese Liebe umsetzen können. Er sagt, dass die Liebe, die Seine Nachfolger für andere zeigen, über die Art und Weise hinausgehen soll, wie die Menschen normalerweise lieben. Der Schwerpunkt liegt hier auf Lukas 6,27-38, der verschiedene Aspekte der Liebe zu anderen behandelt.
Jesus beginnt mit:
Aber euch, die ihr hört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch fluchen; betet für die, die euch beleidigen!7
Er spricht diejenigen an, die „hören“, d. h. diejenigen, die willig sind zuzuhören und das anzuwenden, was Er lehrt. Es gibt in einigen Lehren des Alten Testaments einige Hinweise darauf, wie man seinen Feinden Gutes tun kann, wie zum Beispiel:
Wenn du dem Rind oder Esel deines Feindes begegnest, die sich verirrt haben, so sollst du sie ihm wieder zuführen. Wenn du den Esel deines Widersachers unter seiner Last liegen siehst, so lass ihn ja nicht im Stich, sondern hilf mit ihm zusammen dem Tiere auf.8
Freue dich nicht über den Fall deines Feindes, und dein Herz sei nicht froh über sein Unglück; der HERR könnte es sehen und Missfallen daran haben und seinen Zorn von ihm wenden.9
Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot, dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser, denn du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt häufen, und der HERR wird dir's vergelten.10
Während Verse wie diese im Alten Testament Gläubige dazu auffordern, ihren Feinden Freundlichkeit zu erweisen, ging Jesus beträchtlich weiter und wies Seine Anhänger an, nicht nur freundlich zu sein, sondern sie zu lieben und ihnen zu vergeben. Er praktizierte auch, was Er predigte, wie aus den Worten hervorgeht, die Er am Kreuz sprach: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ 11Auch Seine Anhänger praktizierten das. Stephanus, der erste Märtyrer, als er zu Tode gesteinigt wurde, schrie auf:„Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ 12Der Apostel Paulus schrieb: Seht zu, dass niemand einem anderen Böses mit Bösem vergelte, sondern strebt allezeit dem Guten nach gegeneinander und gegen alle!13 Und der Apostel Petrus schrieb: Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet, weil ihr dazu berufen worden seid, dass ihr Segen erbt!14
Nachdem Jesus das allgemeine Prinzip, seine Feinde zu lieben, zum Ausdruck gebracht hatte, ging Er zu Einzelheiten über: tut wohl denen, die euch hassen.15Er spricht davon, positive Maßnahmen zu ergreifen, Dinge zu tun, die denen nützen, die sich dir widersetzen. Er ruft Seine Anhänger dazu auf, ihre Feinde nicht nur prinzipiell oder auf passive Weise zu lieben, sondern ihnen durch ihre Taten Liebe zu zeigen.
Jesus rief Seine Jünger auf zu segnen, die dich verfluchen,16jene, von denen sie verbal mit Beleidigungen, Hohn, Spott oder Beschimpfungen angegriffen werden. Es ist ganz natürlich, in gleicher Weise mit Worten zurückzuschlagen, doch Jesus lehrte Seine Jünger, diesen Kreislauf von Zorn und Hass zu durchbrechen, indem sie diejenigen segnen, von denen sie beschimpft werden. Während es manchmal richtig ist, jemandem zu antworten, der uns verbal angreift, lehrt uns die Schrift, weise und liebevoll zu handeln.
Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streitsüchtig sein, sondern freundlich gegen jedermann, im Lehren geschickt, einer, der Böses ertragen kann und mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweist.17
Lasst uns aber in Liebe die Wahrheit reden und in jeder Hinsicht Christus ähnlicher werden, der das Haupt seines Leibes – der Gemeinde – ist.18 hab ich so von der Bibel kopiert, wenn du längere Striche möchtest, könntest du sie einfach machen – bitte?
Eine sanfte Antwort wendet Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt Zorn.19
Schmäht man uns, so segnen wir; verfolgt man uns, so dulden wir's; verlästert man uns, so reden wir freundlich.20 („Freundlich“ bedeutet hier, wenn wir verlästert, verhöhnt,beleidigt, beschimpft werden, beenden wir die Unstimmigkeit durch gut zureden mit freundlichen Worten)
Er sagte auch, betet für die, die euch beleidigen! 21Das griechische Wort epēreazōwird in der Elberfelder Bibel mit beleidigen übersetzt. In den unterschiedlichen Bibelübersetzungen wird die Bedeutung auch mit kränken, misshandeln, Böses tun, geschmäht und bedroht werden übersetzt. Der Ruf Jesu an Seine Jünger, für Menschen zu beten, von denen sie misshandelt werden, verstößt gegen den natürlichen Instinkt der Natur. Es stellt eine übernatürliche Form der Liebe dar, eine Liebe, die Gottes Liebe zur Menschheit widerspiegelt. Natürlich bedeutet der Ruf Jesu, diejenigen zu lieben und für sie zu beten, die uns misshandeln oder missbrauchen, nicht, dass wir solche Misshandlungen fortwährend tolerieren. Sich von einer missbräuchlichen Situation zu distanzieren und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sich selbst zu schützen, widerspricht nicht dem Beten für diejenigen, die dich schlecht behandeln.
Nachdem Er seinen Jüngern gesagt hatte, sie sollen ihre Feinde lieben, den Hassern und denen, die sie verfluchen, Gutes tun und für diejenigen beten, von denen sie misshandelt, beleidigt und bedroht werden, fuhr Er dann fort, vier Beispiele davon zu geben, andere trotz Handlungen, die sie verletzen oder die zu Verlust führen, zu lieben. Das erste ist: Wenn jemand dich auf die eine Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin.22In diesem Fall bezieht sich die Ohrfeige höchstwahrscheinlich auf einen Schlag mit dem Handrücken, der zu Jesu Zeit als eine bewusste Geste der Respektlosigkeit und tiefe Beleidigung galt. Indem Er seinen Jüngern sagte, dass sie Ihm die andere Wange hinhalten sollten, sagte Er, dass sie, wenn sie beleidigt wurden, sie dadurch ihre Liebe zeigen sollten, indem sie schweigen, anstatt zu versuchen, es dem anderen auf gleiche Weise heimzuzahlen. Ein Teil der Liebe ist, keine Rache für Schmähungen, Kränkungen oder Beleidigungen auszuüben. Anstatt zurückzuschlagen, ist der Jünger bereit, den Kreislauf der Vergeltung zu durchbrechen.
Der zweite Teil von Vers 29 ist ähnlich dem ersten: Wer dir den Mantel (Jacke) nimmt, dem verweigere auch den Rock (Hemd) nicht.23Jesus sagte, wenn jemand dein äußeres Gewand verlangte, solltest du ihm auch dein Untergewand geben. Das Szenario ist das eines Raubüberfalls und so, wie du die andere Wange im ersten Teil des Verses anbieten solltest, sagt Jesus hier, nicht mit Rache zu vergelten, sondern den eigenen Feind zu lieben, indem man bereit ist, den Verlust zu erleiden, anstatt sich zu rächen.
Jesus setzt dann fort mit: Gib jedem, der dich um etwas bittet.24Den Armen zu geben, bekannt als Almosen geben, war ein Spiegelbild deiner Frömmigkeit. Jesus bezog sich auf die Armen und Bedürftigen, die nicht einmal genug hatten, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Er wies darauf hin, dass ein Teil von Liebe die Bereitschaft ist, Bedürftigen ohne Vorurteile zu helfen, wie Er sagte, dass allen, die bitten, geholfen werden sollte. Dies grenzt natürlich an Opfer und Selbstverleugnung, da es sich auf die Trennung von Besitz bezieht. Jesus führt Seine Nachfolger dahin, Großzügigkeit gegenüber anderen als Teil von Liebe auszudrücken.
Die vierte Illustration von Liebe ist, fordere nicht zurück, was man dir genommen hat.25Hier spricht Jesus zu Seinen Jüngern, dass sie keine Vergeltung für Unrecht anstreben, das ihnen angetan wird. Selbst wenn etwas von ihnen genommen wird, sollen sie nicht auf die Rückgabe bestehen. Wir finden dieses Denken in der Schrift von Paulus:
Dass ihr überhaupt solche Prozesse untereinander führt, ist schlimm genug (ein Fehler, ein Versagen, eine Niederlage). Warum ertragt ihr das Unrecht nicht einfach und belasst es dabei? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen (betrügen)?26
Jesus spricht von großzügiger Selbstverleugnung.
Die Lehren von Jesus hier sind ziemlich radikal, da sie in Begriffen ausgedrückt werden, die die Zuhörer absichtlich schockieren sollten. Er hat diese Gebote absichtlich in einer hyperbolischen Sprache formuliert, um durch diesen übertriebenen Ausdruck einen Standpunkt zu vertreten, und nicht unbedingt wörtlich genommen werden soll.
Jesu Hinweis auf „Feinde“ war möglicherweise nicht nur auf diejenigen gerichtet, die gegen Seine Jünger waren. Wie ein Autor schrieb:
Die Kategorie der „Feinde“ kann andere einschließen ... und nicht nur diejenigen, die sich bewusst den Anhängern Jesu widersetzen. Da ein Bettler gewöhnlich als Außenseiter der Gesellschaftskreise von allen, außer von anderen Bettlern, als ein solcher definiert wird, werden sie nicht als „Freunde“ eingestuft, sondern als Außenseiter- „Feinde“. Liebe gebührt auch ihnen, so als wären sie Kameraden und Verwandte, und in ihrem Fall drückt sich die Liebe im Geben aus.27
Jesus rief Seine Nachfolger dazu auf, das Standarddenken, die Ethik und die Handlungen des jüdischen Volkes Seiner Zeit zu übertreffen und die Art und Weise, wie sie Grenzen setzen, wer nun ihr Nachbar ist, wodurch sie einschränkten, wen sie nun lieben sollten.Er ruft seine Jünger über die Zeitalter hinweg auf, auf eine Weise zu lieben, die ungewöhnlich ist; auf eine Weise, die schwierig, jedoch größer ist. Die Liebe, die Er verkündet, ist die Art von Liebe, die uns, denen unsere Sünden vergeben wurden, dazu bestimmt ist, sie zu leben. Eine Liebe, die freundlich, großzügig, barmherzig, opfernd und vergebend ist.
(Fortsetzung in Teil 2.)
1 Matthäus, Markus, und Lukas.
2 5.Mose 6,5 LUT
3 3.Mose 19,18 LUT
4 3.Mose 19,18 NLB
5 Bock, Lukas Band 1: 1:1–9:50, 588.
6 Matthäus 5,43-45 LUT
7 Lukas 6,27-28. ELB
8 2.Mose 23,4-5. LUT
9 Sprüche 24,17-18 LUT
10Sprüche 25,21-22 LUT
11 Lukas 23,34 LUT
12 Apostelgeschichte 7,60 NLB
13 1.Thessalonicher 5,15 ELB
14 1.Petrus 3,9 ELB
15 Lukas 6,27 LUT/ELB
16 Lukas 6,28 LUT/ELB
17 2.Timotheus 2, 24-25 LUT
18 Epheser 4,15 NLB
19 Sprüche 15,1ELB
20 1.Korinther 4,12-13 LUT
21 Lukas 6,28 ELB
22 Lukas 6,29 NLB
23 Lukas 6,29 LUT
24 Lukas 6,30 HFA
25 Lukas 6,30 HFA
26 1.Korinther 6,7 NLB
27 Green, Das Lukasevangelium, 272.
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