Wo finden wir Gnade?

September 20, 2016

Zusammenstellung

[Where Are We to Find Grace?]

Doch Gott ist so barmherzig und liebte uns so sehr, dass er uns, die wir durch unsere Sünden tot waren, mit Christus neues Leben schenkte, als er ihn von den Toten auferweckte. Nur durch die Gnade Gottes seid ihr gerettet worden! – Epheser 2:4-5

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Worin unterscheidet sich das Christentum von allen anderen Weltreligionen? Vor Jahren beschäftigte man sich mit genau dieser Frage auf einer Konferenz. Von einigen Teilnehmern wurde vorgebracht, das Christentum sei mit seiner Lehre der Menschwerdung Christi einzigartig. Doch es wurde dagegengehalten, andere Religionen würden ähnliche Doktrinen lehren. Und die Auferstehung? Nein, meinte man, andere Religionen glauben auch, dass die Toten auferstehen. Die Diskussion entbrannte.

C. S. Lewis, ein vehementer Verfechter des Christentums, kam spät, setzte sich dazu und fragte: „Worum dreht sich das Spektakel?“ Als er erfuhr, dass es um das Einzigartige des Christentums ging, kommentierte er sofort. „Ach, das ist doch einfach. Es ist die Gnade!“

Wie recht er doch hatte! Im Kern des Evangeliums liegt die überragende Wahrheit, dass Gott uns ohne Vorbedingungen akzeptiert, wenn wir unser Vertrauen auf das Sühneopfer Seines menschgewordenen Sohnes setzen. Obgleich wir hoffnungslos sündig sind, vergibt uns Gott in Seiner Gnade. Wegen Seiner unendlichen Gnade wird uns vergeben, nicht wegen unseres sittlichen Charakters, unseres gerechten Verhaltens, dem Einhalten der Gebote oder des in die Kirche Gehens. Wenn wir nichts weiter tun, als Gottes völliges Pardon anzunehmen. [1]

Tatsächlich gute Nachrichten! Was für ein Evangelium! Was für ein Heiland! – Verfasser unbekannt

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Erma Bombeck, eine US-amerikanische Schriftstellerin, kommentierte:

„In der Kirche letzten Sonntag schaute ich fasziniert auf ein kleines Kind, das sich zu jedem umdrehte und ihm ein Lächeln schenkte Es gluckste nicht, spuckte und summte nicht, trat nicht um sich, zerfledderte nicht das Gesangbuch und wühlte auch nicht in seiner Mutter Handtasche herum. Nein, es lächelte nur. Dann zog seine Mutter es zu sich und flüsterte ihm doch noch für alle hörbar zu: ‚Hör mit dem Grinsen auf! Du bist in der Kirche!‘ Und versetzte ihm einen Klaps und als ihm die Tränen die Wangen hinunter kullerten, meinte sie noch ‚Das ist schon besser‘ und konzentrierte sich dann auf  ihre Gebete ...

„Unvermittelt ärgerte ich mich. Hier ist die ganze Welt in Tränen, und wenn du es nicht bist, dann solltest du dich besser beeilen, es ihr gleich zu tun. Ich wollte dieses tränenverschmierte Kind zu mir nehmen und ihm über meinen Gott erzählen. Dem fröhlichen Gott. Dem lächelnden Gott. Dem Gott, der einen Sinn für Humor haben musste, um so etwas wie uns zu erschaffen.  ... Traditionsgemäß trägt man seinen Glauben mit der Feierlichkeit eines Trauernden, mit der erstarrten Maske der Tragödie und dem Zugehörigkeitsmerkmal eines Rotary Club Ansteckers.

„Wie dumm, dachte ich. Hier saß eine Mutter neben dem einzigen übriggebliebenden Licht unserer Zivilisation – die einzige Hoffnung, unser einziges Wunder – unsere einzige Verheißung der Ewigkeit. Wenn man nicht in der Kirche lächeln könnte, was blieb einem dann noch übrig?“

Diese Charakteristik eines Christen ist sicherlich unvollständig, denn mir sind viele Christen bekannt, die Gnade verkörpern. Und dennoch hat es die Kirche im Laufe der Jahre fertiggebracht, sich den Ruf der Ungnädigkeit zuzulegen. Ganz im Sinne des Gebetes des kleinen Kindes: „Ach lieber Gott, bitte mach die schlechten Menschen gut und die guten netter.“ – Philip Yancey [2]

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Wenn du dich mehr darauf verlegst, die Sünde zu verdammen, als den Sünder zu lieben, ist das kein gutes Zeichen. Gott liegt alles daran, uns zunächst in Sein Königreich hinein zu lieben. Was gewann dich zu Jesus? War es der Anblick jeder deiner einzeln offengelegten Sünden und die Feststellung, du seiest ein „dreckiger, verkommener Sünder“? Hat man dich runtergeputzt, kritisiert und für all deine Untaten verurteilt? Oder hat man dir gesagt, es spiele keine Rolle, was du angestellt hast; es gibt da einen wunderbaren, liebevollen Vater, der dich dermaßen liebt, dass Er bereitwillig jeden Preis zahlen würde – den höchsten je bezahlten Preis – um dir einen Platz an Seiner Seite im Himmel zu verschaffen, wo du für immer glücklich und mit Ihm in Frieden leben kannst. „Gott dagegen beweist uns seine große Liebe dadurch, dass er Christus sandte, damit dieser für uns sterben sollte, als wir noch Sünder waren.“ [3]

Falls jemand frei von Sünde sein muss, bevor wir ihn lieben können, wer bliebe uns dann noch zu lieben übrig? Wenn wir jeden auf der Grundlage seiner Sünden beurteilen, wer kann dann noch bestehen? „Herr, wenn du unsere Sünde anrechnen würdest, wer könnte da bestehen?“ [4] Uns allen bliebe keine Hoffnung ohne die Liebe und Gnade Gottes, das einzige, was uns retten kann. – Maria Fontaine

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Es verlangte Christina danach, ihre ärmliche brasilianische Nachbarschaft zu verlassen und die Welt kennenzulernen. Unzufrieden mit ihrem Zuhause, der Palette auf dem Boden, der Waschschüssel und dem Holzofen, träumte sie von einem besseren Leben in der Stadt. Eines Morgens schlich sie sich davon und ließ ihre Mutter verzweifelt zurück.

In der Ahnung, wie das Leben für ihre junge, attraktive Tochter auf der Straße sein würde, packte Maria behände ihre Sachen und machte sich auf den Weg, sie zu finden. Noch vor der Bushaltestelle betrat sie einen Drogeriemarkt, wo sie kurz noch etwas besorgen wollte. Fotos. Sie setzte sich in den Fotoautomaten, zog den Vorhang vor und gab alles, was sie konnte, für kleine Selbstporträts aus. Mit ihrer Tasche voller kleiner schwarz-weiß Bilder nahm sie den nächsten Bus nach Rio de Janeiro.

Maria wusste, dass es für Christina keine Möglichkeit gab, Geld zu verdienen; auch, dass ihre Tochter zu eigensinnig wäre, aufzugeben. Wenn Stolz hungrig wird, verleitet er uns zu vormals Undenkbarem. Mit dieser Vorstellung machte Maria sich auf die Suche in Bars, Hotels, Nightclubs und allen Gegenden mit dem Ruf der Prostitution und des Rotlichtmilieus. Sie durchkämmte sie alle. Und überall ließ sie ihr Foto an einem WC-Spiegel, an der Pinnwand eines Hotels oder in einer Telefonzelle zurück. Auf die Rückseite jeden Fotos schrieb sie eine Notiz.

Doch über kurz oder lang ging ihr das Geld und die Fotos aus und Maria musste heimkehren. Die erschöpfte Mutter weinte, als der Bus sich zur langen Fahrt Richtung Heimatdorf in Bewegung setzte.

Etliche Wochen später geschah es, als Christina die Treppe eines Hotels hinunterstieg. Ihr jugendliches Gesicht war müde. Ihren braunen Augen fehlte der mädchenhafte Glanz, drückten hingegen Schmerz und Furcht aus, ihr Lachen war verstummt.  Ihre Träume waren zu Albträumen geworden. Tausend Mal schon hätte sie gerne die unzähligen Betten gegen ihre sichere Palette eingetauscht. Aber in vieler Hinsicht lag ihr kleines Dorf zu weit entfernt.

Am Ende der Stufen trafen ihre Augen auf ein bekanntes Gesicht. Sie schaute zweimal und dort am Lobbyspiegel steckte ein kleines Bild ihrer Mutter. Mit erstaunten Augen und beklommen ging sie hinüber und nahm das kleine Foto in die Hand. Auf der Rückseite stand die unwiderstehliche Einladung „Was du auch getan hast, was auch aus dir geworden ist, spielt keine Rolle. Bitte komm nach Hause.“ Und das tat sie. – Max Lucado [5]

 

Erschienen auf Anker im September 2016.

  1. Titus 3:4–7.
  2. Philip Yancey, What’s So Amazing About Grace? (Zondervan, 1997).
  3. Römer 5:8.
  4. Psalm 130:3.
  5. Max Lucado, No Wonder They Call Him Savior (Multnomah Press, 1986).

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