Das Gesetz und die Propheten – Teil 2

Mai 31, 2024

Peter Amsterdam

[The Law and the Prophets—Part 2]

Als Jesus sagte: „Ihr habt gehört, dass zu den Vorfahren gesagt worden ist: ‚Du sollst keinen Mord begehen. Wer mordet, soll vor Gericht gestellt werden.‘“ (Matthäus 5,21), bezog er sich auf die verschiedenen alttestamentlichen Verse über Mord, die Verfahren zur Feststellung der Schuld und die Strafe.1 Das mosaische Gesetz war eindeutig, dass man keinen Mord begehen sollte, aber Jesus lehrte uns, tiefer zu gehen als das, was das Gesetz vorschrieb, nämlich was hinter der Tat des Mordes stand. „Ich aber sage euch: Schon wer auf seinen Bruder zornig ist, gehört vor Gericht. Wer aber zu seinem Bruder ‚Schwachkopf' (Wörtlich Raca, ein aramäischer Ausdruck der Verachtung) sagt, der gehört vor den Hohen Rat. Und wer zu ihm sagt: 'Du Idiot!'(wie leichtfertig wird dieses unchristliche Wort benützt?), gehört ins Feuer der Hölle. (Matthäus 5,22) 

Das Prinzip, das Jesus lehrt, ist, dass Mord die äußere Manifestation einer inneren Haltung ist. Er spricht von Zorn, Wut und Beleidigungen und sagt, dass diejenigen, die andere mit beleidigenden Worten erniedrigen, von Gott gerichtet werden. Mord ist eine Tat, die aus der Absicht des Herzens heraus geschieht. Hass, Zorn oder Verachtung gehen in der Regel einer solchen Tat voraus.

Jesus weist darauf hin, dass die Menschen das Gefühl haben könnten, dass sie vor Gott im richtigen Ansehen stehen, weil sie keinen Mord begangen haben. Um die Bedeutung dieses Gebots jedoch richtig zu verstehen und zu interpretieren, müssen wir der Absicht auf den Grund gehen. Er bringt die Zuhörer dazu, sich Fragen zu stellen wie: Warst du jemals zu Unrecht wütend auf jemanden, hast ihn gehasst oder verachtet, ihn beschimpft oder erniedrigt oder einen Rufmord begangen? Hast du dir jemals gewünscht, dass jemand tot ist? Wenn ja, dann hast du dich der Sünde gegen Gott und andere schuldig gemacht, auch wenn du nicht so weit gegangen bist, einen Mord zu begehen. Sein Punkt ist, dass es nicht ausreicht, nur den geschriebenen Kodex des Gesetzes zu befolgen, sondern dass es auch auf das ankommt, was im Herzen und im Kopf ist.

Das zweite Beispiel, das Jesus in der Bergpredigt gibt, betrifft die Reinheit des Herzens und der Gedanken. Jesus beginnt damit, dass er wiederholt, was in der Schrift steht, und führt dann weitere Lehren zu diesem Thema ein. „Man hat euch gelehrt, dass geboten wurde: ‚Du sollst nicht die Ehe brechen.‘ Ich aber sage: Wer eine Frau auch nur mit einem Blick voller Begierde ansieht, hat im Herzen schon mit ihr die Ehe gebrochen. (Matthäus 5,27–28)

Diejenigen, die Jesus Bergpredigt zuhörten, wussten, dass Ehebruch verboten war, da es sich um das siebte der Zehn Gebote handelt (2.Mose 20,14). So wie er zuvor das sechste Gebot über das Verbot des Mordens zitiert hatte, zitiert er hier das siebte Gebot und bestätigt, dass Ehebruch falsch und eine Sünde ist; doch geht er noch weiter und weist auf die Gefahr eines lüsternen Blicks hin und darauf, wohin das letztendlich führen kann. Anstatt nur die äußere Tat zu verbieten, geht Jesus auf den inneren Zustand des Herzens ein, der zu sündigem Handeln führen kann. 2

Jesus verband das siebte Gebot mit dem zehnten Gebot, das lautet: „Du sollst den Besitz deines Nächsten nicht begehren: Weder sein Haus, seine Frau, seinen Knecht, seine Magd, sein Rind, seinen Esel oder sonst etwas, das deinem Nächsten gehört." (2.Mose 20,17). Die Septuaginta (griechische Version des Alten Testaments) verwendet dasselbe Wort für „Begehren " und „Gier". Ein Mann sollte nicht die Frau eines anderen Mannes begehren oder gierig nach ihr lüstern.

Im Gegensatz zur Haltung der Pharisäer, die sich auf die buchstäbliche Einhaltung des Gesetzes konzentrierten, machte Jesus deutlich, dass das Fernbleiben vom Ehebruch nicht bedeutet, dass man mit Gott im Reinen ist. So wie Zorn ein Mord im Herzen sein kann, so kann auch das Anschauen eines Angehörigen des anderen Geschlechts mit der Absicht, unerlaubten Sex zu haben, Ehebruch im Herzen sein.

Wie Jesus in der Bergpredigt lehrte, geht es im Leben im Reich Gottes um mehr als um das Einhalten von Regeln; es geht darum, auf die Umwandlung unseres Herzens, unserer Einstellungen, unseres Gedankenlebens und unserer Handlungen hinzuarbeiten, indem wir sie in Einklang mit Gottes Wort und Willen bringen. Jesus fuhr fort mit: „Wenn dich also dein Auge – auch wenn es dein gutes (rechtes) Auge ist – zur Begierde verführt, reiß es heraus und wirf es weg! Besser, du verlierst einen Körperteil, als dass dein ganzer Körper in die Hölle geworfen wird. Und wenn dich deine Hand – auch wenn es deine kräftigere (rechte) Hand ist – zum Bösen verführt, hack sie ab und wirf sie weg! Besser, du verlierst einen Körperteil, als dass dein ganzer Körper in die Hölle geworfen wird. (Matthäus 5,29–30)

In überspitzter, übertriebener, hyperbolischer Sprache machte Jesus hier deutlich, wie wichtig es ist, die Versuchung zur Sünde zu vermeiden. Jesus sprach sich nicht dafür aus, jemandem buchstäblich ein Auge auszureißen oder die Hand (oder den Fuß) abzuhacken. Er sagte, dass, wenn dein Auge dich zur Sünde verleitet, weil die Versuchung durch deine Augen (was du siehst) oder durch deine Hände (Dinge, die du tust) oder deine Füße (Orte, die du besuchst) dich versucht zu verleiten, dann verhalte dich so, als hättest du sie abgeschnitten oder ausgerissen. Wenn dein Auge dich zur Sünde verleitet, dann schau nicht hin; wenn dein Fuß dich zur Sünde verleitet, dann geh nicht hin; und wenn deine Hand dich zur Sünde verleitet, dann tue es nicht.

Die Formulierung „zur Begierde, zum Bösen verführt“, bedeutet auch „dich beleidigen, dich verletzen" und „dich stolpern lassen". Er kommt aus dem Griechischen skandalizō, das im Matthäusevangelium mehrfach verwendet wird, um etwas Katastrophales zu bezeichnen, ein Stolpern, das einen Menschen vom Weg des göttlichen Willens und des Heils ablenkt, und auch als eine Person oder Sache, die Gottes Heilsplan im Wege steht. 3

Auch wenn wir durch das Opfer Jesu für uns gerettet sind, ist die Sünde immer noch schwerwiegend, denn sie schadet unserer Beziehung zu Gott. Als Mitglieder des Reiches Gottes, als Gottes Kinder, sollten wir uns bemühen, nicht zu sündigen. Natürlich ist es unmöglich, jemals nicht zu sündigen, aber wenn wir uns regelmäßig der Sünde hingeben, ihr erliegen, geraten wir in eine gefährliche Lage – wir laufen Gefahr, uns in unserer Beziehung von Gott zu entfernen.

Wie ein Auge, eine Hand oder ein Fuß jemanden zur Sünde verleitet, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wir werden nicht alle auf die gleiche Weise zur Sünde verleitet. Jemandes Auge könnte ihn zum Beispiel zu Pornografie verleiten, während das Auge eines anderen ihn zu Neid verleitet, wenn er sieht, was andere haben, und verärgert und missgünstig wird. Jeder von uns muss sich vor der Sünde in seinem Leben hüten, und die Art und Weise, wie die Sünde entsteht, ist bei jedem von uns anders. Wir müssen uns selbst bewusst sein, auf welche Weise wir persönlich in Versuchung geraten zu sündigen, und wir müssen tun, was wir können, um ihnen entgegenzuwirken.

Um dieses Gebot Jesu zu befolgen, müssen wir vielleicht etwas „ausreißen" oder „abhacken". Wir müssen vielleicht bestimmte Dinge aus unserem Leben streichen, die zwar an sich harmlos sind, aber Quellen der Versuchung sind oder leicht zu solchen werden können. Dazu kann auch unsere Beziehung zu Menschen gehören, die uns zur Sünde verleiten. 4

Wie Jesus sagte, ist es besser, durch dieses Leben zu gehen und einige Dinge dieser Welt aus unserem Leben „auszureißen" oder „abzuhacken ", auf einige Erlebnisse zu verzichten, um den Lehren Jesu treu zu bleiben und als Menschen des Reiches Gottes zu leben. Wie wir jetzt leben, spielt eine Rolle für unsere Ewigkeit. Das Wissen, dass Jesus sagte, es sei besser, in das künftige Leben mit einigen Dingen „abgelegt" einzugehen, als ihnen nachzugeben, sollte uns veranlassen, nachzudenken und zu beten über Dinge, die wir zulassen oder in unser Leben einladen, die nicht mit seinem Wesen, Charakter, Willen und Wort übereinstimmen, und entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu entfernen.

Der Kern der Botschaft Jesu in diesem Abschnitt der Bergpredigt ist, dass es nicht nur darum geht, Gott zu gefallen, indem wir uns an die Regeln halten, wie es die Pharisäer hervorhoben, sondern dass es Gott vielmehr um eine „Neuverkabelung“ um eine neue Verknüpfung der Beweggründe und Absichten unserer Herzen geht. Jesus benutzt diese Beispiele, um uns zu helfen, als Mitglieder des Reiches Gottes zu lernen, wie wir zu neuen Schöpfungen werden können, die bewusst die Absicht dessen leben, was die Schrift lehrt.

 

1 Sieh 2.Mose 20,13; 4.Mose 35,30-34; 5.Mose 17,7-13; 19,1-13  

2 Leon Morris, The Gospel According to Matthew (Grand Rapids: Eerdmans, 1992), 117.

3 R. T. France, The Gospel of Matthew (Grand Rapids: Eerdmans, 2007), 205.

4 John R. W. Stott, The Message of the Sermon on the Mount (Downers Grove: InterVarsity Press, 1978), 91.

 

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