Das Vaterunser - Teil 3

Juni 30, 2023

Peter Amsterdam

The Lord’s Prayer—Part 3

Nach den ersten drei Bitten im Vaterunser, in denen wir darum beten, dass Gott verehrt wird, sein Reich kommt und sein Wille auf Erden wie im Himmel geschieht, wendet sich das Gebet von den Bitten, die sich auf den Vater beziehen, zu den menschlichen Bedürfnissen. „Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen" – Matthäus 6,11-13.Dieses Muster – zuerst Gott den Vorrang zu geben und sich dann den menschlichen Bedürfnissen zuzuwenden – findet sich auch an anderer Stelle in den Lehren Jesu: „Euch soll es zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird er euch alles Übrige dazugeben." – Matthäus 6,33

Das Gebet wechselt von der zweiten Person Singular (dein Name, dein Reich, dein Wille) zur ersten Person Plural (unser Brot, unsere Schuld). Die betende Person betet zu Gott, aber das Gebet konzentriert sich nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse, sondern auch auf die der anderen Gläubigen; die Bitte gilt „unser" Brot, der Vergebung „unsern" Sünden und der Erlösung vom Bösen von „uns".

Unser tägliches Brot gib uns heute" ist die Bitte an unseren Vater, für unsere körperlichen Bedürfnisse zu sorgen – alles, was wir zum Erhalt unseres Lebens brauchen. Indem wir ihn um unsere Bedürfnisse bitten, bringen wir unsere Abhängigkeit von ihm zum Ausdruck. Im Mittelmeerraum des ersten Jahrhunderts wurden die Arbeiter täglich bezahlt und hatten nur so viel, dass sie von Tag zu Tag leben konnten. Der Lohn von heute reichte für das Essen von heute. Das Leben in solch unsicheren Verhältnissen machte das Gebet sehr bedeutsam.

Die Versorgung mit täglichem Brot erinnerte das jüdische Volk auch an die Versorgung mit Manna, als sie in der Wüste waren. Er gab ihnen jeden Tag genug für den Tag und am sechsten Tag genug für zwei Tage, so dass sie am Sabbat nicht sammeln mussten (2.Mose 16,13-26). Gott sorgte buchstäblich für ihr tägliches Brot.

Wenn wir dieses Gebet beten, erkennen wir unsere Abhängigkeit von unserem himmlischen Vater an. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass wir von ihm erwarten, dass er für unsere körperlichen Bedürfnisse sorgt, und wir bitten ihn darum, dies zu tun. Der Herr möchte, dass wir ihm vertrauen und uns darauf verlassen, dass er unsere Bedürfnisse deckt.

Die fünfte Bitte lautet: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Das Vaterunser bei Matthäus verwendet die Worte Schulden und Schuldiger, um die Sünde darzustellen, während Lukas Sünden und schuldig verwendet: „Und vergib uns unsere Sünden! Auch wir vergeben jedem, der an uns schuldig geworden ist." – Lukas 11,4. Im Aramäischen, der Muttersprache Jesu, wurde das Wort khoba verwendet, um sowohl Schulden als auch Sünden auszudrücken. Die Schulden bei Matthäus und die Sünden bei Lukas bezeichnen beide Übertretungen gegen Gott.

Als Jesus seine Jünger aufforderte, zu beten: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben haben", sprach er davon, dass uns unsere Sünden vergeben wurden. Gott hat uns unsere Sünden durch die Erlösung gnädig und barmherzig vergeben. Deshalb sollen wir auch anderen vergeben, als Erweiterung von Gottes Gnade. Diejenigen, denen vergeben wurde, sollen auch anderen vergeben.

Versöhnung – die Beendigung des Konflikts und die Erneuerung der Beziehung – ist das Markenzeichen des Christentums, des Reiches Gottes. Gott hat die Beziehung zwischen der sündigen Menschheit und sich selbst durch Jesus versöhnt. Er hat durch seine Vergebung eine neue Beziehung angeboten. Als Mitglieder seines Reiches müssen wir auch die Beziehungen zu denen, die gegen uns gesündigt haben, durch Vergebung erneuern. Wir sollen Gottes Wesen widerspiegeln, das von Natur aus barmherzig und vergebend ist. Das ist ein Teil des Christseins.

Die letzte Bitte lautet: Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen (Matthäus 6,13). Der vorherige Satz, Vergib uns unsere Schuld, bezog sich auf unsere vergangenen Sünden. Das Gebet richtet sich nun an zukünftige Sünden.

Manchmal stellt sich eine Frage zum ersten Teil dieser letzten Bitte: Führt Gott uns in Versuchung? Im Jakobusbrief lesen wir: „Wer der Versuchung erliegt, sollte niemals sagen: ‚Diese Versuchung kommt von Gott.‘ Gott lässt sich nicht zum Bösen verführen, und er verleitet auch niemanden zur Sünde." – Jakobus 1,13.

Das hier verwendete griechische Wort peirasmos bedeutet Test, Prüfung oder Versuchung. Die Grundbedeutung des Wortes ist „Prüfung"; wenn es jedoch für die Prüfung von Menschen durch Satan verwendet wird, damit sie die Prüfung nicht bestehen, bedeutet es „Versuchung". Wir wissen, dass das Leben voller moralischer Prüfungen ist; wir müssen oft moralische Entscheidungen treffen, und es ist nicht so, dass wir solche Prüfungen vermeiden können. Die Bitte lautet nicht, dass wir nie auf die Probe gestellt werden, sondern wir beten sie in dem Bewusstsein, dass wir wissen, dass wir schwach sind, und wir bitten unseren Vater, uns aus manchen Situationen herauszuhalten, weil unser Glaube vielleicht nicht ausreicht, um sie zu überstehen.

Im zweiten Teil der Bitte bitten wir, uns vom Bösen zu befreien. Wir bitten den Herrn, uns zu retten, uns zu befreien, uns vom Bösen zu erlösen. Einige Übersetzungen geben das griechische ponēros als „böse" wieder, andere als „der Böse". Beide Übersetzungen sind technisch korrekt, und die Kommentatoren scheinen sich über die beiden Möglichkeiten nicht einig zu sein. Wie auch immer, wir beten, dass Gott uns retten möge. Der Apostel Paulus schrieb: Der Herr wird mich vor jedem bösen Angriff retten und mich sicher in sein himmlisches Reich bringen" – 2. Timotheus 4,18.

Das Vaterunser endet mit einer Bitte, die auf unserem Verständnis beruht, dass wir Gottes Hilfe brauchen, um unsere Beziehung zu ihm gesund zu erhalten. Wir sind von Natur aus Sünder. Wir sind uns dieser Schwäche bewusst und wissen, dass wir seine Hilfe brauchen, um nicht zu sündigen. Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen ist die Bitte eines Menschen, der eine gesunde und richtige Beziehung zu Gott haben möchte. Wir bitten unseren Vater, uns vor der Sünde, vor Situationen, in denen wir versagen, und vor dem Bösen in jeder Form zu bewahren - in unserem Herzen, unserer Einstellung und unserem Handeln.

Wir sprechen diese Bitten aus, weil wir Gott lieben und uns wünschen, dass unsere Beziehung zu ihm gesund und unversehrt bleibt. Wir bitten unseren Vater, uns vor allem zu bewahren, was sich zwischen uns stellen und unsere Gemeinschaft mit ihm stören könnte.

Das Gebet im Matthäusevangelium endet mit: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. – Matthäus 6,13.

Dieser letzte Satz ist in vielen Übersetzungen nicht enthalten. Man geht davon aus, dass er im späten zweiten Jahrhundert hinzugefügt wurde, und ist in der Luther und Schlachter Version als normaler Text enthalten. Alle Kommentare, die ich gelesen habe, sprechen davon, dass es sich um eine Doxologie handelt, die hinzugefügt wurde, nachdem das Evangelium ursprünglich geschrieben wurde. Er spiegelt König Davids Gebet in 1. Chronik 29,11-12 wieder:

„Dein, HERR, ist die Majestät und Gewalt(Größe und Kraft), Herrlichkeit(Ehre, Ruhm), Sieg und Hoheit. Denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein. Dein, HERR, ist das Reich, und du bist erhöht zum Haupt über alles."

Auch wenn es nicht Teil der ursprünglichen Lehre Jesu war, ist es dennoch ein schöner und passender Abschluss des Gebets. Das Gebet begann damit, dass wir uns auf unseren Vater konzentrierten, dann gehen wir dazu über, unsere Bedürfnisse auszusprechen, und es ist angemessen, den Fokus wieder auf ihn zu richten, indem wir am Ende des Gebets die Schönheit seiner Macht und Majestät verkünden.

Im Matthäus-Evangelium finden wir das Vaterunser in der Bergpredigt, gleich nachdem uns gesagt wird: „Plappert nicht vor euch hin, wenn ihr betet, wie es die Menschen tun, die Gott nicht kennen. Sie glauben, dass ihre Gebete erhört werden, wenn sie die Worte nur oft genug wiederholen. Seid nicht wie sie, denn euer Vater weiß genau, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn darum bittet!" – Matthäus 6,7-8. Jesus gab seinen Jüngern ein kurzes Gebet, das sowohl unsere Bedürfnisse als auch die Bedürfnisse aller anderen Christen anspricht. Es ist ein Gebet, in dem es sowohl um die Herrlichkeit Gottes, des Allmächtigen, als auch um die Beziehung geht, die wir als seine Kinder zu Abba, unserem liebenden und fürsorglichen Vater, haben.

Lieber Vater, du hast uns durch den Opfertod deines Sohnes gerettet und uns in deine Familie aufgenommen, so dass wir dich - der über allen anderen steht, der Schöpfer aller Dinge - als unseren Abba, unseren Vater, haben. Wenn wir Dich, Deine Liebe, Macht und Heiligkeit kennenlernen, wollen wir Dir die Ehrerbietung erweisen, die Du von Herzen verdienst.

Du bist Gott, heilig, gegenwärtig und gerecht, und du verdienst unser Lob und unsere Anbetung. Mögen wir uns denen im Himmel anschließen, die nicht aufhören zu sagen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott, der Allmächtige, der immer war, der ist und der noch kommen wird." – Offenbarung 4,8. Und mögen wir sein wie die vierundzwanzig Ältesten, die ihre Kronen vor deinen Thron werfen und sagen: „Du bist würdig, unser Herr und Gott, Herrlichkeit und Ehre und Macht entgegenzunehmen. Denn du hast alle Dinge geschaffen; weil du es wolltest, sind sie da und wurden sie geschaffen." – Offenbarung 4,10-11.

Mögest du in unserem Leben und in der ganzen Welt herrschen. Benutze uns alle, die wir an dich glauben, um die frohe Botschaft der Erlösung weiterzugeben. Lehre uns, nach den Grundsätzen deines Reiches zu leben; hilf uns, uns ihrer in unseren Entscheidungen bewusst zu sein, damit wir dich und deine Wege widerspiegeln können.

Wirke im Leben all derer, die an dich glauben, damit so viel andere wie möglich dich kennenlernen und so leben, dass sie das Leben in deinem Reich widerspiegeln. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Ursprünglich veröffentlicht im August 2016. Überarbeitet und neu aufgelegt im Mai 2023.

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