Das Vaterunser - Teil 2

Juni 23, 2023

Peter Amsterdam

[The Lord’s Prayer—Part 2]

Als Jesus seine Jünger das Vaterunser lehrte, sagte er: „Darum sollt ihr so beten: „Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen."Matthäus 6,9-13.

Das Wort, mit dem sich Jesus im Gebet an seinen Vater wandte, war das aramäische Wort Abba, was Vater bedeutet. Es ist verständlich, dass Jesus als einzigartiger Sohn Gottes seinen Vater Abba nannte, aber das Bemerkenswerte ist, dass er diejenigen, die an ihn glauben, lehrte, Gott ebenfalls als Abba anzusprechen.

In der Bergpredigt legt Jesus den Schwerpunkt auf „euer Vater", indem er diesen Ausdruck elf Mal verwendet. Von der Bergpredigt an spricht Jesus auch häufig von Gott als seinem eigenen Vater, und zwar in einer Weise, die andere von dieser besonderen Beziehung auszuschließen scheint. Als einzigartiger Sohn Gottes unterscheidet sich die Beziehung Jesu zum Vater von der unseren.

Dies wird bereits bei der Taufe Jesu in Matthäus deutlich, als Gott sagte: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe" – Matthäus 3,17. Am deutlichsten kommt es im ersten aufgezeichneten Gebet Jesu bei Matthäus zum Ausdruck: „Mein Vater hat mir Vollmacht über alles gegeben. Niemand außer dem Vater kennt den Sohn wirklich, und niemand kennt den Vater außer dem Sohn und jenen, denen der Sohn den Vater offenbaren will." – Matthäus 11,27.

Jesus ist zwar der einzige Sohn Gottes, aber auch wir werden durch den Glauben an ihn zu Kindern Gottes. Die frühe Kirche verstand, dass die Gläubigen durch Jesu Tod und Auferstehung Mitglieder der Familie Gottes sind und deshalb Gott ihren Vater, Abba, nennen dürfen.

„Doch als der festgesetzte Zeitpunkt da war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt. Gott sandte ihn, um uns aus der Gefangenschaft des Gesetzes freizukaufen und als seine Kinder anzunehmen. Und weil ihr seine Kinder geworden seid, hat Gott euch den Geist seines Sohnes ins Herz gegeben, sodass ihr zu Gott nun ‚lieber Vater‘ sagen könnt." – Galater 4,4-6

Das „Vaterunser" Gebet impliziert ein Gefühl der Vertrautheit, dass wir uns an jemanden wenden, der uns liebt und für uns sorgt. Das Gebet soll keine komplizierte, formale Art sein, sich an eine unberechenbare Instanz zu wenden, sondern es ist eine Kommunikation aus dem Herzen heraus. Das Gebet, das Jesus lehrte, war kurz und unprätentiös, eine einfache, von Herzen kommende Kommunikation von Menschen, die wissen, dass sie in ihren täglichen Bedürfnissen von ihrem Vater abhängig sind, die Vergebung ihrer Sünden und seinen Schutz und seine Fürsorge brauchen.

Indem Jesus das Gebet mit „unser Vater im Himmel" beginnt, erinnert er uns auch daran, dass derjenige, den wir als Vater ansprechen, überragend groß ist, denn er ist im Himmel und wir sind es nicht. Es geht hier um ein Gleichgewicht, denn wir sprechen Gott intim an und sind uns gleichzeitig seiner Macht und unendlichen Größe bewusst. Er ist der allmächtige Gott, der allmächtige Schöpfer von allem, was existiert. Er ist auch unser liebevoller „Abba", und wir sind seine Kinder, die auf ihn vertrauen und sich auf ihn verlassen.

Diejenigen, die an Jesus glauben und ihn im Herzen aufnehmen, können Gott ihren Vater nennen. „All denen, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden." – Johannes 1,12. Natürlich ist Gott der Schöpfer aller Dinge und aller Menschen und hat allen das Leben geschenkt, und in diesem Zusammenhang ist jeder Teil von „Gottes Nachkommenschaft" (Apostelgeschichte 17,28-29), aber das ist nicht, wie die Autoren des Neuen Testaments die Vater-Sohn-Darstellung in Bezug auf Gott und seine Kinder verwenden. Die Beziehung zu Gott als Vater hat mit denjenigen zu tun, die an Jesus glauben. Es ist ein Geschenk Gottes und ein großes Privileg, Gott als „unseren Vater" anzusprechen.

Nach der Eröffnungsrede „Unser Vater im Himmel" folgen sechs Bitten. Die ersten drei beziehen sich direkt auf Gott – seinen Namen, sein Reich und seinen Willen. Danach folgen drei weitere, die direkt mit uns zu tun haben - unsere körperlichen Bedürfnisse, Sünden und Versuchungen.

Was das Muster für das Gebet angeht, so lernen wir von der Eröffnung des Vaterunsers, dass wir unsere Gebete mit der Konzentration auf unseren Vater im Himmel beginnen, der ein persönliches Wesen ist, mit dem wir in Beziehung stehen. Wir treten in seine Gegenwart ein, wir loben und beten ihn an. Wir treten in dem Bewusstsein vor ihn, dass unsere Beziehung zu ihm wie die eines Kindes zu einem liebenden Elternteil ist. Er liebt uns, kennt unsere Bedürfnisse, will sich um uns kümmern und das Beste für uns wollen. Aufgrund unserer Beziehung zu unserem Vater im Himmel vertrauen wir ihm, zählen auf ihn und wissen, dass er unser Bestes im Sinn hat. Dies ist ein grundlegendes Verständnis des christlichen Gebets.

Nach dem einleitenden Satz des Vaterunsers ließ Jesus drei Sätze folgen, die mit Gottes Ehre, seinem Reich und seinen Zielen zu tun haben, gefolgt von drei Sätzen, die unsere Bedürfnisse ansprechen. Die ersten drei Sätze, die sich auf Gott beziehen, lauten: „Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden." Hier haben wir drei Bitten: Dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, und dein Wille geschehe. Sie drücken unser Gebet für Gottes Herrlichkeit in Bezug auf seinen Namen, seine Herrschaft und seinen Willen aus.

Das Wort „heiligen" bedeutet „ehren", „weihen", „absondern", „mit höchstem Respekt behandeln", „erhaben“, „würdevoll“. Wenn wir beten: „Geheiligt werde dein Name", ehren wir Gott und bitten ihn, uns zu helfen, ihm die Ehrfurcht zu erweisen, die ihm gebührt, und bitten ihn auch, in unserer Welt so zu handeln, dass diejenigen, die ihn nicht ehren, sich ändern und seinem Namen die Ehre geben.

Wenn wir das Vaterunser beten, bitten wir den Herrn darum, dass sein Name überall und vollständig verherrlicht wird. Indem wir ihn bitten, seinen Namen heilig zu machen, bitten wir ihn, in der physischen Welt und besonders durch uns, seine Nachfolger, zu handeln, damit die ganze Menschheit ihn als Gott ehren kann.

Wenn wir die Evangelien lesen, sehen wir, dass es Jesus immer darum ging, seinen Vater zu verherrlichen. Seine Taten veranlassten andere, Gott zu verherrlichen. In seinem Gebet in Johannes 17 sagte er: „Ich habe dich hier auf Erden verherrlicht, indem ich alles tat, was du mir aufgetragen hast. ... Ich habe deinen Namen unter den Menschen bekannt gemacht" – Johannes 17,4, 6. Auch wir können seinen Namen anderen offenbaren; wir können Gott durch unsere Worte und unser Leben verherrlichen, indem wir ein Spiegelbild der Größe und Herrlichkeit Gottes sind. Wir werden auch daran erinnert, dass er zwar Abba, unser liebender Vater, aber auch der allmächtige Gott ist, den wir respektieren und verehren sollten.

Die zweite Bitte, dein Reich komme, ähnelt der ersten, denn sie ist eine Bitte an Gott, sein Reich in unserer Welt zu verwirklichen. Wir beten darum, dass Gott seine Herrschaft, Macht und Autorität auf der ganzen Erde ausübt. Das Reich Gottes wurde mit Jesu Eintritt in die Welt angebrochen. Obwohl das Reich nicht physisch war, war es dennoch durch ihn gegenwärtig, als er auf der Erde war, und es ist auch heute noch gegenwärtig. Er sprach auch in der Zukunftsform davon. Die dynamische Herrschaft Gottes ist sowohl eine gegenwärtige Realität, die durch Jesu Leben und Wirken eingeführt wurde, als auch eine zukünftige Manifestation, die nach seiner Wiederkunft vollendet sein wird.

Wenn wir „Dein Reich komme" beten, bitten wir Gott darum, dass das Evangelium auf der ganzen Welt gepredigt wird, damit die Menschen die Botschaft annehmen und durch den Glauben an Jesus in das Reich Gottes kommen (Markus 16,15). Wir beten dafür, dass diejenigen, die zum Glauben an den Herrn kommen, ihn zunehmend in ihrem Leben herrschen lassen. Gleichzeitig beten wir dafür, dass Jesus wiederkommt und das Reich Gottes vollständig vollendet. Wir freuen uns auf die Zeit, in der alle Sünde und alles, was Gott entgegensteht, beseitigt ist. Wir beten, mit den Worte am Ende des Buches der Offenbarung: Komm, Herr Jesus! (Offenbarung 22,20).

Die dritte Bitte, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, baut auf der zweiten auf. Wenn Gott regiert, wird sein Wille getan. Hier beten wir für die volle Verwirklichung all dessen, was das Reich Gottes bedeutet.

Im Himmel sind Gottes Königtum und sein Wille bereits anerkannt und erfüllt, aber auf der Erde müssen sie noch vollständig anerkannt werden. Bis zu einem gewissen Grad ist das Reich Gottes in den Herzen und im Leben der Gläubigen präsent, aber nicht „wie im Himmel". Gottes Wille ist im Himmel bereits vollbracht; sein Name ist bereits heilig, er ist bereits König und es gibt im Himmel nichts, was ihn daran hindert, seinen Willen zu tun.

Wenn wir das Vaterunser beten, bitten wir unseren Vater, in unserer Welt zu wirken, um die Herzen der Menschen zu verändern, und uns dabei zu helfen, die Herzen der anderen zu verändern. Gegenwärtig wird Gottes Wille in unserer Welt nicht so ausgeführt, wie es im Himmel der Fall ist, aber irgendwann wird Gottes Wille auf Erden so ausgeführt werden, wie es im Himmel der Fall ist.

Wenn wir unseren Vater im Himmel darum bitten, seinen Namen zu heiligen und darum, dass sein Reich kommt und sein Wille auf Erden geschieht, wie im Himmel, setzen wir die Dinge in die richtige Priorität - und Gott an die erste Stelle. Indem wir darum beten, dass Gottes Name geheiligt wird, verpflichten wir uns, ihn zu ehren, zu lieben, anzubeten und zu preisen, denn er allein ist heilig.

Wenn wir darum beten, dass sein Reich kommt, erkennen wir, dass wir nicht nur darum bitten, dass er seine Herrschaft in dieser Welt ausübt, sondern auch darum, dass er in unserem Leben regiert. Wenn wir darum bitten, dass sein Wille auf Erden geschieht, wie im Himmel, dann bitten wir darum, dass sein Reich, seine Macht und seine Herrschaft wichtiger sind als unsere eigene und dass sein Wille Vorrang vor unserem eigenen Willen hat.

 

Ursprünglich veröffentlicht im Juli 2016. Überarbeitet und neu aufgelegt im Mai 2023.

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