Die Geburt Jesu – Teil 2

Dezember 13, 2021

Peter Amsterdam

[The Birth of Jesus—Part 2]

Bei der Erzählung der Geschichte von der Geburt Jesu beginnt das Lukasevangelium mit der Geburt von Johannes dem Täufer, der sowohl ein Verwandter Jesu als auch der Vorläufer des Messias ist. Lukas stellt zahlreiche Bezüge zum Alten Testament her, indem er eine Verbindung zwischen den Verheißungen Gottes an Israel und der Erfüllung dieser Verheißungen in der Geburt Jesu herstellt.

Wir erfahren von einem Priester namens Zacharias, dessen Frau Elisabeth ein Nachkomme Aarons war, – des Bruders von Mose und des ersten Priesters Israels. Zacharias und Elisabeth „waren beide rechtschaffen vor Gott und wandelten untadelig in allen Geboten und Satzungen des Herrn. Aber sie hatten kein Kind, denn Elisabeth war unfruchtbar, und beide waren hochbetagt.“ 1

In biblischen Zeiten wurde Kinderlosigkeit oft als Zeichen göttlicher Strafe und als Quelle der Schande angesehen. 2 Die Situation von Zacharias und Elisabeth ist jedoch ein Echo auf die rechtschaffenen Paare in der Geschichte Israels, die ebenfalls unfruchtbar waren, aber durch das Eingreifen Gottes ein Kind bekamen: Abraham und Sarah, Elkana und Hanna, Isaak und Rebekka, Jakob und Rahel und Samsons Eltern.

Als Priester diente Zacharias zweimal im Jahr im Tempel. In diesem Jahr wurde er „nach dem Brauch des Priestertums durch das Los dazu auserwählt, in den Tempel des Herrn zu gehen und Weihrauch zu verbrennen.“ 3 Zur täglichen Routine im Tempel gehörte das Weihrauchopfer vor dem Morgenopfer und nach dem Abendopfer. Es war eine große Ehre für einen Priester, dieses Opfer darzubringen, und jeder durfte dies nur einmal in seinem Leben tun. Die Art und Weise, wie der Priester für diese Ehre ausgewählt wurde, war das Werfen von Losen, und so galt der ausgewählte Priester als von Gott erwählt.

Der Räucheraltar befand sich im Heiligtum selbst und war durch einen sehr dicken Vorhang vom Allerheiligsten, – dem Ort, an dem man Gott wähnte, – getrennt. Zacharias Gelegenheit, den Weihrauch darzubringen, der nur durch den Vorhang vom Allerheiligsten getrennt war, brachte ihn so nahe an die Gegenwart Gottes heran, wie es kein anderer Mensch als der Hohepriester je könnte. Das war eine große Ehre. 4

Während Zacharias im Heiligtum war, „erschien ihm ein Engel des Herrn, der zur Rechten des Räucheraltars stand. Und Zacharias erschrak, als er ihn sah und Furcht befiel ihn.“ 5

Der Engel sprach zu Zacharias: „Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört worden, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Johannes nennen. Und du wirst Freude und Wonne haben, und viele werden sich über seine Geburt freuen, denn er wird groß sein vor dem Herrn.“ 6 Wenn Gott im Alten Testament einem Kind einen Namen gab, dann war das oft jemand, der in der Heilsgeschichte eine gewisse Bedeutung hatte. Die Aussage, viele würden sich über seine Geburt freuen und er würde groß sein vor dem Herrn, unterstreicht die Vorstellung, dass er eine wichtige Rolle in Gottes Heilsplan spielen würde.

Der Engel sagt Zacharias etwas über die Zukunft des Kindes: „Er wird viele der Kinder Israels zum Herrn, ihrem Gott, bekehren, und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft des Elia, um die Herzen der Väter zu den Kindern zu bekehren und die Ungehorsamen zur Weisheit der Gerechten, um dem Herrn ein zubereitetes Volk zu bereiten.“ 7

Johannes wird die Rolle eines Propheten einnehmen, dessen Aufgabe es ist, das Volk geistig zu versöhnen, indem er viele zum Herrn bekehrt. Sein Kommen im Geiste Elias erinnert an Gottes Verheißung, die etwa 400 Jahre zuvor im Buch Maleachi gegeben wurde: „Siehe, ich will euch den Propheten Elias senden, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Und er wird die Herzen der Väter zu ihren Kindern und die Herzen der Kinder zu ihren Vätern bekehren, damit ich nicht komme und das Land mit einem Dekret der völligen Zerstörung überziehe.“ 8

Die Aufgabe des Johannes besteht darin, ein Volk auf das Kommen des Herrn vorzubereiten, indem er es zur Umkehr bringt. Die Zeit des Wartens auf den Messias, auf die Befreiung neigt sich dem Ende zu. An diesem Punkt fragt Zacharias den Engel: „Wie kann ich sicher sein, dass das wirklich geschieht? Denn ich bin ein alter Mann, und meine Frau ist hochbetagt.“ 9 Dies zeigt, dass Zacharias Zweifel hat, und der Engel antwortet: „Ich bin Gabriel. Ich stehe im Angesicht Gottes und bin gesandt worden, um zu dir zu sprechen und dir diese gute Nachricht zu bringen. Und siehe, du wirst schweigen und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschieht, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die sich zu ihrer Zeit erfüllen werden.“ 10

Als bestätigendes Zeichen erklärt Gabriel, dass Zacharias stumm sein wird, bis alles, was ihm gesagt wurde, eintritt.

Am Ende seiner Dienstzeit kehrt Zacharias nach Hause zurück, und wir erfahren, dass seine Frau Elisabeth nach einiger Zeit schwanger wird – genau so, wie Gabriel es vorausgesagt hatte. Als Elisabeth erfährt, ein Kind zu bekommen, reagiert sie mit Lob und Dankbarkeit und sagt: „So hat der Herr an mir gehandelt, als er mich ansah, um meine Schmach von den Menschen zu nehmen.“ 11 Man kann sich die Freude vorstellen, die sie empfand!

Die Geschichte wird sechs Monate nach dem Besuch des Engels Gabriel bei Zacharias fortgesetzt. Gabriel wird nun in die Region Galiläa, nördlich von Judäa, in das Dorf Nazareth gesandt, um Maria die Nachricht zu überbringen, sie würde die Mutter des Messias werden.

Maria erfährt, ihr Sohn „wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein.“ 12 Diese Information und der Titel Sohn des Höchsten wurden von Maria wahrscheinlich so verstanden, dass ihr Sohn der König von Israel werden würde. 13 Im Laufe seines Lebens wird jedoch deutlich, welche Rolle Er spielen wird, die sich stark von den üblichen Erwartungen an den erwarteten jüdischen Messias unterscheidet, und wir erfahren, dass Er stattdessen der Sohn Gottes ist.

Bald nach dem Besuch Gabriels und ihrer Entscheidung, auf wundersame Weise die Mutter des Erlösers zu werden, heißt es: „Maria stand auf und ging eilends in das Bergland, in eine Stadt in Juda, und sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.“ 14

Während der Engel dem Zacharias im Tempel in Jerusalem erschien, an heiliger Stätte, direkt neben dem Allerheiligsten, fand die Erscheinung vor Maria in Nazareth, in Galiläa, statt, weit entfernt vom Zentrum des jüdischen Glaubens. Gott tat etwas Neues, und im weiteren Verlauf des Evangeliums werden wir sehen, wie sich der Schwerpunkt vom Tempel weg und auf Gottes Sohn verlagert. Wie Brown sagt:

Wenn die Erscheinung vor Zacharias, einem Priester, im Jerusalemer Tempel stattfand, als Zeichen der Kontinuität mit alttestamentlichen Institutionen, so findet das Kommen von Gabriel zu Maria in Nazareth statt, einer Stadt, an die keine alttestamentlichen Erwartungen geknüpft waren, als Zeichen der völligen Neuheit dessen, was Gott tut. 15

Bei Marias Ankunft begrüßt sie Elisabeth. „Und, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Mutterleib. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: ‚Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Und warum ist mir das vergönnt, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als der Klang deines Grußes an meine Ohren drang, hüpfte das Kind in meinem Schoß vor Freude. Und gesegnet ist sie, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr zu ihr gesagt hat.‘“ 16

Als Elisabeth den Gruß hörte, hüpfte ihr Kind im Mutterleib und veranlasste sie, unter dem Einfluss des Heiligen Geistes einen Segensspruch sowohl für Maria als auch für das Kind in ihrem Mutterleib auszusprechen. Obwohl Elisabeth als Marias Übergeordnete angesehen wird, versetzt sie sich nun in die Rolle der Dienerin, indem sie ihren Gast ehrt und sie als Mutter meines Herrn anerkennt und sie als Gesegnete unter den Frauen bezeichnet, womit sie Gabriels Botschaft von Marias bevorzugtem Status bestätigt. 17

Maria antwortet mit einem wunderschönen Lobgesang, der als Magnifikat bekannt ist. „Meine Seele preist den Herrn, und mein Geist freut sich über Gott, meinen Erlöser; denn er hat auf die Demut seiner Magd gesehen. Denn siehe, von nun an werden mich alle Geschlechter gesegnet nennen; denn er, der mächtig ist, hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Und seine Barmherzigkeit gilt denen, die ihn fürchten, von Geschlecht zu Geschlecht. Er hat Stärke gezeigt mit seinem Arm; er hat die Stolzen in ihren Gedanken vertrieben; er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Demütigen erhöht; er hat die Hungrigen mit Gutem gesättigt, und die Reichen hat er leer ausgehen lassen. Er hat seinem Knecht Israel geholfen, zum Gedenken an seine Barmherzigkeit, wie er geredet hat zu unseren Vätern, zu Abraham und zu seinen Nachkommen in Ewigkeit.“ 18

Wie andere Lobgesänge in den Psalmen besteht auch dieser aus drei Teilen: (1) eine Einleitung, in der Gott gelobt wird, (2) der Hauptteil des Hymnus, in dem die Gründe für den Lobpreis genannt werden, der oft mit „denn“ beginnt, und (3) der Schluss.

Maria blieb etwa drei Monate lang bei Elisabeth und half ihr höchstwahrscheinlich in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft. Diese beiden Frauen, die in der Heilsgeschichte eine so wichtige Rolle spielten, konnten sich vor der Geburt ihrer Kinder gegenseitig Trost und Hilfe spenden. Die Zeit, die Maria mit Elisabeth verbrachte, stärkte sie höchstwahrscheinlich für das, was ihr bevorstand, wenn sie in ihr Haus zurückkehren und Josef erklären wird, sie sei schwanger.

 

Ursprünglich veröffentlicht im Dezember 2014. Überarbeitet und neu herausgegeben im Dezember 2021.


Hinweis: Jegliche Schriftstelle wurde frei aus dem Englischen ins Deutsche übertragen, es sei denn, sie ist mit den Kürzeln der Version der verwendeten deutschen Übersetzung markiert.

  1. Lukas 1,6-7.
  2. Siehe 1. Mose 29,31; 30,1, 22-23; 1. Samuel 1,5-6.
  3. Lukas 1,9.
  4. Joel B. Green, Das Evangelium des Lukas (Grand Rapids: William B. Eerdmans Publishing Company, 1997), 70.
  5. Lukas 1,11-12.
  6. Lukas 1,13-15.
  7. Lukas 1,16-17.
  8. Maleachi 4,5-6.
  9. Lukas 1,18.
  10. Lukas 1,19-20.
  11. Lukas 1,25.
  12. Lukas 1,32-33.
  13. Green, Das Lukasevangelium, 81, 60.
  14. Lukas 1,39-40.
  15. Raymond E. Brown, The Birth of the Messiah (New York: Doubleday, 1993).
  16. Lukas 1,41-45.
  17. Green, Das Lukasevangelium, 81, 94.
  18. Lukas 1,46-55.

 

 

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