Hilflos, aber nicht hoffnungslos

Juli 7, 2021

Lenka Schmidt

[Helpless but Not Hopeless ]

Manchmal merken wir erst, wie sehr wir jemanden lieben, wenn wir ihn fast verlieren

Zunächst schien das Coronavirus für unsere Familie wie eine ferne Krankheit irgendwo weit weg zu sein. Dann landete es plötzlich ganz nah vor unserer Haustür! Der erste ernste Fall war meine 80-jährige Tante in einem Pflegeheim, die es, Gott sei Dank, überstanden hat! Dann hat es meine sehr liebe Tante Iva erwischt, die es aber leider nicht überlebt hat. Es folgte die Ansteckung der gesamten Familie meines Bruders, und schließlich meiner Eltern. Der Kampf wurde immer intensiver. Wie sehr haben wir gebetet!

Die Familie meines Bruders überstand allmählich die Krankheit; bei meinen Eltern war es schlimmer. Mein Vater musste ins Krankenhaus, weil er nicht mehr richtig atmen konnte. Er befand sich im Anfangsstadium einer Lungenentzündung. Er sah noch gut aus, aß alleine, lief ein bisschen herum und brauchte ab und zu Sauerstoff. Dann änderte sich plötzlich alles und er landete auf der Intensivstation. Ein paar Tage später lag er in einem künstlich herbeigeführten Koma und hing an einem Beatmungsgerät. Sein Zustand wurde immer schlimmer und die Ärzte gaben uns keine Hoffnung mehr. Meine Mutter musste zwar auch ins Krankenhaus, wurde aber zum Glück bald wieder nach Hause entlassen. Ihr Zustand hat sich seither stark verbessert.

Dies waren extrem schwierige Tage für uns. Ich glaube, ich habe jede Phase der Trauer durchgemacht: Verleugnung, Wut, Herumfeilschen, Depression und Akzeptanz. Manchmal fühlte ich einen drückenden Schmerz in meinem Brustkorb. Ich verhandelte mit Gott. Ich war wütend über die ganze dumme COVID-Situation und traurig, dass ich nicht persönlich bei meinen Eltern sein konnte. Obendrein fühlte ich mich selbst nicht wohl und hatte Schwierigkeiten beim Atmen. Als die Nachrichten aus dem Krankenhaus nicht besser wurden, begann ich mich hoffnungslos zu fühlen. Ich hatte den Punkt der Akzeptanz erreicht, dass ich mich wahrscheinlich von meinem Vati hier auf Erden verabschieden müsste.

Doch trotz allem spürte ich persönlich Gottes Gegenwart, Seine Liebe und Seinen Trost. Obwohl ich zugeben muss, dass ich Ihm manchmal echt meine Meinung sagte! Aber ich weiß, dass es für Ihn in Ordnung ist, dass Er mein Herz kennt und versteht, wie ich mich fühle, und dass es Ihm lieber ist, dass ich ehrlich bin, als so zu tun, als wäre ich so gut. Ich habe lange Gespräche mit Ihm geführt, besonders nachts, wenn ich nicht schlafen konnte. Er hat mich immer getröstet. Einmal hatte ich das Gefühl, dass Er mir sagte, dass Er bei meinem Vater im Krankenhaus ist und sich um ihn kümmert. Und als es wirklich hoffnungslos aussah, sagte Er mir, dass Vati es überstehen würde, aber dass die Genesung lange dauern würde. Am nächsten Tag teilte uns das Krankenhaus weitere schlechte Nachrichten mit und ich glaubte ihnen mehr als Gott.

Zu dieser Zeit schickte mir ein Freund folgendes: „Ich glaube, dass es große Kraft und Trost im Gebet gibt. Es ist kein Mittel, um Gott zu ‚bewegen‘, aber es ist eine Möglichkeit, eine Einladung, Ihm näher zu sein und andere zu Ihm zu bringen. Irgendwie verändert es uns, wenn wir mehr an andere denken als an uns selbst.“

Wie tief ist diese Wahrheit! Diese Art von schwierigen Situationen vertieft unsere Beziehung zu Gott. Sie stellt unser Vertrauen wieder her, dass Er auch in den schlimmsten Situationen bei uns ist und dass, auch wenn wir nicht die Kontrolle haben, Er sie jedoch hat und uns sehr liebt, egal was passieren wird. Es ist eine echte Erfahrung von Gottes Liebe und Fürsorge.

Da mein Vater nicht der erste war, der in unserer Familie krank wurde, waren wir ein wenig besser vorbereitet und schickten noch mehr Gebetsanliegen als zuvor für meine Tante und andere aus. Einige unserer engen Freunde leiteten unsere Gebetsanliegen sogar an andere weiter. Überall auf der Welt beteten Menschen für ihn ... bis Gott ein Wunder tat!

Gleich am nächsten Tag teilte uns das Krankenhaus mit, dass Vati vom lebenserhaltenden System getrennt wurde und dass er selbständig atmet! Es wird immer noch ein Kampf sein, aber wir werden nicht aufgeben. Jesus ist immer noch derselbe. Und so wie Er in der Bibel Wunder für Menschen getan hat, kann Er sie auch für uns tun! Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit. 1 Wie unendlich dankbar sind wir für Ihn, für alle Ärzte und Schwestern, die sich so gut um ihn gekümmert haben, und für all diejenigen, die mit uns weitergekämpft haben. Gott segne sie!

Was haben wir noch getan, außer ständig zu beten? Wir lernten Verse aus der Bibel zum Thema Heilung auswendig und „erinnerten“ Gott an sie. Besonders diese beiden: „Jesus Christus heilt dich“ und „Er gibt den Ohnmächtigen Kraft, und die Schwachen macht Er stark.“ 2 (Wir haben sie sogar auf die Fliesen in unserem Badezimmer geschrieben, zusammen mit unseren Gebetsanliegen).

Wir stärkten unseren Glauben auch, indem wir christliche Literatur lasen und verschiedene Predigten hörten. Manchmal haben wir gefastet. Mein Mann ließ einige Mahlzeiten ausfallen, ich aß eine Zeit lang keine Süßigkeiten und hörte auf, meine Lieblingssendungen im Fernsehen anzusehen. Einmal fragten ihn die Jünger Jesu: „Warum konnten wir den Jungen nicht heilen?“ Jesus antwortete ihnen: „Wegen eures Unglaubens ... dieser Fall braucht Gebet und Fasten.“ 3

An einem Punkt fühlte ich, dass ich anfangen sollte, Gott im Voraus dafür zu danken, dass Er meinen Vater bereits geheilt hatte, obwohl wir noch nicht den physischen Beweis der Heilung in der Hand hielten. Das war eine weitere Sache, von der wir glauben, dass sie geholfen hat

Eine andere entscheidende Sache, die auch ein Prinzip ist, wie Gott wirkt, war das „Aufgeben“ in dem Sinne, die ganze Situation in Gottes Hände zu legen, egal, was am Ende passiert. Jedes Mal, wenn wir etwas, das wir wirklich wollen, in Seine Hände legen, wird Er Seine Arme für uns öffnen. Deshalb braucht es eine Menge Mut, und manchmal tun wir es mit angehaltenem Atem, aber es gibt Ihm immer freie Hand, das zu tun, was für uns am besten ist. Und mit der Zeit, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, werden wir zugeben, dass Er es einfach besser weiß als wir, auch wenn es manchmal lange dauert, bis wir etwas Gutes darin finden.

Diejenige, die die ganze Zeit das meiste Vertrauen hatte, war wahrscheinlich unsere Tochter Anissa. Es war eine große Lektion für mich zu sehen, wie Kinder einfach vertrauen. In ihrem Kopf war es ganz einfach: „Entweder wird Gott Opa heilen oder ihn in den Himmel nehmen. In beiden Fällen wird er glücklich sein!“ Ich glaube nicht, dass sie unsere Sorgen nachvollziehen konnte. Sie sagte einmal: „Vielleicht hat Gott ihn noch nicht geheilt, denn wenn es schlimmer wird, wird es ein echtes Wunder sein, wenn er geheilt ist!“

Einige Tage nachdem mein Vater aus dem künstlichen Koma zurückgeholt worden war und es ihm besser ging, erzählte mir der behandelnde Arzt am Telefon, dass sie noch vor wenigen Tagen dachten, dass mein Vater sterben würde. Ich sagte ihm, dass eine Menge Leute beten und dass es Erfolg hat.

Der Einzige, der Wunder bewirken kann, ist Gott und Ihm gebührt unser größter Dank! Wir haben Mitleid mit denen, deren Angehörige sich nicht von ihrer Krankheit erholt haben. Wir wissen nicht, warum es dem einen besser geht und dem anderen nicht, aber wir können sicher sein, dass Gott bei denen ist, die krank sind, und bei uns, wenn wir voller Schmerz sind. Er ist uns sehr nahe und hält uns immer an der Hand.

An jedem Ostern erinnern wir uns an die Auferstehung Jesu. Vergessen wir nicht, dass Seine Macht zu heilen und Wunder zu vollbringen auch in der heutigen Zeit noch Gültigkeit für uns hat.

(Eilmeldung: Mein Vater ist nach etwas mehr als zwei Monaten aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es hat eine Weile gedauert, bis er wieder laufen gelernt hat und seine Lungen sind noch nicht ganz geheilt, aber vor kurzem hat er öffentliche Verkehrsmittel benutzt, ist zu einem Besuch und zum Einkaufen gegangen und mit seinem Auto zurückgefahren. Gott sei gelobt!)


  1. Hebräer 13,8.
  2. Apostelgeschichte 9,34, Jesaja 40,29.
  3. Matthäus 17,19-21.

 

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